Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben ein neues Verfahren zur Minderung von Triebwerkstönen entwickelt. Es basiert auf dem gezielten Einblasen von Druckluft in das Flugzeugtriebwerk direkt hinter dem Hauptrotor. Das Konzept wurde jetzt erstmals erfolgreich getestet.
Köln – In den letzten 40 Jahren reduzierte sich der Fluglärm durch gezielte Anpassungen der Triebwerksbauweise stetig. Dies wurde durch immer größere Triebwerksdurchmesser erreicht, bei denen sich die durchströmende Luft immer weiter verlangsamt. Die physikalischen Grenzen dieses Prinzips, welches auch Treibstoff spart, sind allerdings nahezu erreicht. Jetzt sind innovative Technologien gefragt, um mittels alternativer Methoden die weitgehend ausgereizten Möglichkeiten bei der Lärmreduktion aktueller Triebwerksarchitekturen zu verbessern.
Gegenschall durch Druckluft
Eine viel versprechende Technologie ist die aktive Lärmminderung. „Bei der aktiven Lärmminderung werden Gegenschallquellen zum Unterdrücken der primären Lärmquellen eingesetzt. Bei diesem Prinzip nutzte man bislang Lautsprecher zum Erzeugen eines Gegenschallfelds. In einem Triebwerk – beispielsweise im Einlauf – müsste ein System aus vielen Lautsprechern allerdings extrem robust, langlebig und zuverlässig sein. Überdies bringt die Verwendung von leistungsfähigen Magneten und Verstärkern eine erhebliche Gewichtszunahme des Triebwerks mit entsprechend negativen Auswirkungen auf dessen Effizienz mit sich.“ erklärt der DLR-Triebwerksakustiker Prof. Lars Enghardt.
Die Akustiker des DLR-Instituts für Antriebstechnik entwickelten deshalb in den letzten Jahren ein neuartiges aktives Verfahren zur Minderung von Triebwerkstönen. Es basiert auf dem gezielten Einblasen von Druckluft direkt hinter dem Hauptrotor des Triebwerks, dem sogenannten Fan. Dadurch werden Wechselkräfte auf den nachfolgenden Leitschaufeln angeregt, die bei genau eingestellter Einblasung den aktiven Gegenschall erzeugen.
Moderne Triebwerke besitzen bereits ein für viele Zwecke verwendetes Druckluftsystem, das auch hier – auf akustische Anwendungen hin erweitert und adaptiert – zum Einsatz kommen kann. Es würde die hohen Anforderungen der Luftfahrttechnik auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erfüllen.
Realistische Testbedingungen
„Das DLR verfügt in Köln mit dem Versuchsverdichter UHBR (Ultra High Bypass Ratio)-Rig über einen leistungsfähigen Modellprüfstand, an dem wir das neue Verfahren an einem realistischen Modell eines Teiltriebwerks demonstriert haben. Die Untersuchungen wurden bei niedrigeren Drehzahlen unter realistischen Landeanflugbedingungen durchgeführt,“ sagt Dr. Eberhard Nicke. Erste Datenanalysen zeigen, dass der laute Ton, der im Fan durch die Interaktion von Rotoren und Statoren entsteht, deutlich leiser wurde. Dafür reichte bereits eine geringe Menge eingeblasener Druckluft aus.
Parallel zu den akustischen Demonstrationsversuchen wurden umfangreiche Detailmessungen zur Strömung im Triebwerksfan und dem Schwingungsverhalten der Fanschaufeln durchgeführt. Um innovative Ideen wie das System zur aktiven Lärmminderung in industrielle Anwendungen zu überführen, ist ein umfangreiches Wissen über die komplexen Strömungsvorgänge innerhalb des Triebwerks notwendig.
Umweltfreundliche, leise und leistungsfähige Triebwerke sind das Ziel der DLR-Antriebsforschung. Innovationen in der Triebwerkskonstruktion entlasten schon heute die Anwohner von Flughäfen. Insgesamt nimmt der Luftverkehr allerdings jedes Jahr zu. Ein weiteres Wachstum der Luftfahrtbranche braucht eine weitere kontinuierliche Verringerung des Fluglärms. Daran arbeitet das DLR-Institut für Antriebstechnik seit vielen Jahren gemeinsam mit seinen industriellen Partnern.
Die akustischen und aerodynamischen Forschungsarbeiten im DLR-Institut für Antriebstechnik werden aktuell im Rahmen des vom BMWi geförderten Luftfahrtforschungsprogramms IV weitergeführt.
Foto: Carstino Delmonte