Sommerzeit ist Urlaubszeit – und die verbringen immer mehr Deutsche nicht am Strand, sondern in der Stadt: Seit 2007 hat sich die Zahl der Städtereisen weltweit auf 190 Millionen verdreifacht und allein für dieses Jahr haben 38,6 Prozent der Deutschen einen Städtetrip geplant.
München – Tourismusämter und private Anbieter reagieren auf den Trend und bieten spezielle Städtepässe an. Mit ihnen erhalten Reisende freien Eintritt und Rabatte bei gleich mehreren Führungen, Museen, Bühnen und anderen Sehenswürdigkeiten einer Stadt. Das klingt praktisch, aber lohnt sich der Kauf wirklich? Das Verbraucherforum mydealz hat 168 Pässe für 33 verschiedene europäische Städte unter die Lupe genommen. Das Ergebnis zeigt: Städtepässe lohnen sich meist nur bei längeren Aufenthalten.
Das Tagesticket für Bus und Bahn in Berlin kostet sieben Euro, das Kombiticket für alle Museen der Museumsinsel 18 Euro, die Stadtrundfahrt mit dem Hop-on-hop-off-Bus 22 Euro und der Eintritt in den Berliner Dom weitere sieben Euro. Wer einen Tag in Berlin verbringt, ist schnell fünfzig Euro los – ohne etwas gegessen und getrunken oder das Hotel bezahlt zu haben. Um zu sparen, greifen deshalb nicht wenige der jährlich 13,5 Millionen Berlin-Besucher zu einem der Städtepässe, die von der stadteigenen Berlin Tourismus & Kongress GmbH und privaten Anbietern verkauft werden. Wie viel sie wirklich damit sparen, hängt aber von verschiedenen Faktoren ab, allem voran von ihrem eigenen Reiseverhalten.
Städtepässe kosten im Mittel 62,43 Euro und bieten die Möglichkeit, beim Besuch von 55 Sehenswürdigkeiten in Summe 499,45 Euro zu sparen. Schon der Blick auf diese Zahlen macht deutlich: Wer eine der 33 Städte mit einem der 168 Städtepässe erkunden möchte, muss hierfür einiges zahlen, hat aber auch die Chance, viel zu erleben. Vorausgesetzt: Er bringt ausreichend Zeit und Muße mit, wirklich alle Sehenswürdigkeiten zu besuchen.
Genau dies aber ist die Crux der Städtepässe: Ihre Herausgeber verkaufen keine Erlebnisse, sondern die Möglichkeit, etwas zu erleben. Es liegt am Reisenden, ob er diese Möglichkeit auch nutzt. Um sie überhaupt nutzen zu können, muss er indes zunächst einmal tief in die Tasche greifen. Sechs britische Pfund, umgerechnet also 6,78 Euro, kostetet der preiswerteste der 168 Städtepässe – der für einen Tag gültige „Belfast Visitor Pass“. Für die für sieben Tage und 25 Sehenswürdigkeiten gültige „Madrid iVenture Card“ mussten Reisende mit 255 Euro indes so viel berappen wie für keinen anderen der 168 Städtepässe.
Die meisten Städtepässe kosteten sonst bis zu 100 Euro. 82 Pässe kosteten weniger als fünfzig Euro, 54 Pässe fünfzig bis 100 Euro und 24 Pässe mit Preisen zwischen 100 und 150 Euro zu Buche. Fünf Pässe kosteten zwischen 150 und 200 Euro und drei mehr als 200 Euro. Neben der „Madrid iVenture Card“ waren dies der für sechs Tage (219,22 Euro) beziehungsweise zehn Tage (236,17 Euro) gültige „London Pass + Travel“.
Die direkte Gegenüberstellung zeigt: Mehr noch als die Zahl der teilnehmenden Sehenswürdigkeiten, Bühnen und Führungen wirkt sich die Zahl der Tage, an denen ein Städtepass gültig ist, auf seinen Preis aus. So stiegen neben dem Preis für den „London Pass“ (84,75 Euro bis 236,17 Euro) auch beispielsweise die Preise für den „Amsterdam Pass“ (64 Euro bis 134 Euro), die „Barcelona Card“ (43,70 Euro bis 57,95 Euro) die „Berlin Welcome Card“ (79 Euro bis 165 Euro) oder die „Milano Card“ (8,00 Euro bis 19,00 Euro) abhängig vom Gültigkeitszeitraum.
Die Logik ist simpel: Der Herausgeber der Pässe muss die Betreiber der einzelnen Sehenswürdigkeiten meist nur bei einem tatsächlichen Besuch am Umsatz beteiligen. Je länger Reisende in der Stadt sind, desto größer sind also die potentiellen Kosten und desto höher der Preis eines Städtepasses. Käufer und Verkäufer befinden sich in einem Wettstreit: Verkäufer von Städtepässen profitieren immer dann, wenn diese Pässe zwar möglichst oft gekauft, aber möglichst selten genutzt werden. Reisende haben indes immer dann viel vom Städtepass, wenn sie ihn möglichst intensiv nutzen.
Die Frage, wie sinnvoll der Kauf eines Städtepasses ist, lässt sich so subjektiv mit dem eigenen „Entdeckertrieb“ und objektiv mit der Zahl an Sehenswürdigkeiten und der Summe der – wenigstens rechnerisch möglichen – Rabatte beantworten. Beide Faktoren zusammen bilden den Wert eines Städtepasses. Und hinsichtlich ihres Werts unterschieden sich die 168 analysierten Städtepässe deutlich: Im Mittel ließen sich mit ihnen bei 55 verschiedenen Sehenswürdigkeiten Preisvorteile von insgesamt 499,45 Euro erzielen. Preis und Wert eines Städtepasses standen dabei durchschnittlich im Verhältnis von 1:9,87
Für Reisende ist das Verhältnis zwischen Preis und Wert eines Städtepasses ein wichtiger Indikator. Diese Rechenweise hat zwar auch ihre Schwächen: Weil nur für einen Tag gültige Städtepässe beim Test meistens die gleichen Vorteile boten wie länger gültige Pässe, standen Preis und Wert bei ihnen mit 1:15,25 – zumindest rechnerisch – im günstigsten Verhältnis. Am Verhältnis aus Preis und Wert lässt sich aber dennoch ableiten, für wie viele Tage es sich lohnt, einen Städtepass zu kaufen. Städtepässe für zwei Tage (1:10,61), drei Tage (1:8,90) und vier Tage (1:10,16) wiesen beim Test so ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf, das sich bei Pässen mit längerer Laufzeit eher verschlechterte: Wer einen Städtepass für fünf Tage kaufte, stellte sich noch relativ günstig. Preis und Wert standen hier in einem Verhältnis von 1:8,56. Spätestens ab einer Laufzeit von sieben Tagen (1:4,24) lohnte sich ein Kauf aber in der Regel kaum noch.
Was in der Theorie simpel klingt, erweist sich in der Praxis allerdings als eher schwierig. Wer den tatsächlichen Wert eines Städtepasses ermitteln will, muss recherchieren und sollte die Informationen der Herausgeber kritisch hinterfragen. Viele Herausgeber von Städtepässen warben wenigstens im Testzeitraum zwar offensiv damit, bei wie vielen Museen, Attraktionen, Theatern und Führungen Reisende mit dem jeweiligen Städtepass Geld sparen können. So warb die Rokin Group Internacional S.L. als Herausgeberin der „Lisboa Card“ beispielsweise damit, dass Inhaber einer „Lisboa Card“ (Preis: 42 Euro für drei Tage) „freien Eintritt in Lissabons beste Attraktionen und Museen“ hätten, während Zürich Tourismus von „den meisten Zürcher Museen“ sprach, bei denen Inhaber einer „Zürich Card“ Vergünstigungen erhielten. Diese oft vollmundigen Versprechen bedeuteten jedoch nicht, dass Reisende wirklich bei allen (für sie) relevanten Sehenswürdigkeiten auch tatsächlich freien Eintritt hatten. Inhaber einer „Zürich Card“ hätten so tatsächlich nur bei 43 der 59 Sehenswürdigkeiten freien Eintritt gehabt. Und von den 102 Lissabonner Attraktionen, mit denen die Rokin Group warb, waren nur vierzig tatsächlich im Preis inbegriffen.
Mit den 168 analysierten Städtepässen ließen sich zwar durchschnittlich 55 Museen, Führungen, Bühnen und andere Sehenswürdigkeiten günstiger besuchen. Wirklich im Preis inbegriffen waren aber nur 26 dieser Angebote. Um die übrigen 29 von 55 Angebote wirklich nutzen zu können, hätten Reisende weitere Kosten in Kauf nehmen müssen. Und diese hatten es teilweise in sich: Im Mittel summierten sich die Mehrkosten für den Besuch aller Sehenswürdigkeiten auf 813,56 Euro. Reisende sollten sich also genau informieren, ob der Pass – ohne Mehrkosten – auch wirklich die Tür zu den für sie interessantesten Sehenswürdigkeiten öffnet.
Besonders hoch fielen die Mehrkosten für Käufer einer „Hamburg Card“ aus: Diese ist mit 10,50 Euro für einen Tag bis 42,50 Euro für fünf Tage zwar vergleichsweise preiswert. Für 40 der 43 Angebote müssen Reisende jedoch zusätzlich zahlen – und zwar in Summe 2.912,59 Euro. Für kulturhungrige Reisende ist der „Easy City Pass“ für Wien ähnlich teuer: Auch er war mit 14,90 Euro für einen Tag bis 29,90 Euro für sieben Tag auf den ersten Blick sehr günstig. Im Preis inbegriffen war aber „nur“ der Eintritt zu drei von 49 Sehenswürdigkeiten. Um auch die übrigen 46 Museen, Bühnen und Führungen zu besuchen, hätten Reisende 2.555,45 Euro zusätzlich berappen müssen.
Am anderen Ende der Skala bewegten sich Pässe wie die für 31 Tage gültige „Amsterdam Museumkaart“ (Preis: 59,90 Euro), der für 24 Stunden bis fünf Tage gültige „Stockholm Pass“ (Preis: 62,89 bis 139,03 Euro) und der für sieben Tage gültige „Venedig City Pass Complete“ (124,90 Euro). Alle drei Pässe kosteten zwar ein Mehrfaches ihrer Wiener und Hamburger Pendants. Mit ihnen ließen sich aber alle Angebote ohne Zuzahlung nutzen. In der Angebotsbreite und in seinem Wert übertraf der „Stockholm Pass“ dabei sowohl die „Museumkaart“ als auch den „Venedig City Pass Complete“ deutlich: Mit dem „Stockholm Pass“ erhielten Reisende Eintritt zu 68 Sehenswürdigkeiten im Wert von bis zu 1.668,26 Euro während die „Museumkaart“ für 41 Museen in Amsterdam (Wert: 405,00 Euro) galt und der „Venedig City Pass“ sogar „nur“ 13 Angebote im Wert von 364 Euro umfasste.
Ob sich der Kauf eines Städtepasses lohnt und welcher Pass für sie persönlich der richtige ist, sollten Städtereisende individuell entscheiden. Die Möglichkeit dazu haben sie, denn im Schnitt fanden die Tester für jede der 33 Städte 1,91 Pässe in 5,09 verschiedenen Varianten. Mit den meisten Städtepässen konnten Reisende den öffentlichen Nahverkehr in der jeweiligen Stadt für die Dauer ihrer Gültigkeit unbegrenzt nutzen und auch besonders populäre Sehenswürdigkeiten wie den Petersdom, den Tower of London oder den Berliner Fernsehturm über die „Fast Lane“, also ohne (längere) Wartezeit besuchen. Ansonsten unterschieden sich die Pässe im Leistungsumfang und Preis.
Grob lassen sich die Pässe in zwei Kategorien unterteilen: Erstens in Städtepässe für Reisende, die sich einfach treiben lassen und vielleicht hier und dort mal ein Museum oder eine Führung besuchen möchten. Und zweitens in Städtepässe für Kulturliebhaber, die möglichst viele Museen, Führungen und vielleicht die ein oder andere Theatervorstellung besuchen möchten. Entscheidend ist, wie viel Euro Reisende pro Besuch einer Sehenswürdigkeit sparen können und ab wie vielen Besuchen sich der Kauf eines Städtepasses rentiert. Mit allen 169 Pässen hätten Reisende im Mittel 6,95 Euro pro Attraktion sparen können. Ihr Kauf rentierte sich angesichts des relativ hohen Durchschnittspreises von 62,43 Euro so durchschnittlich erst ab dem zehnten Besuch einer Sehenswürdigkeit.
Wer ohnehin „nur“ ein Ticket für Bus und Bahn und den meist im Preis inbegriffenen Sightseeing-Bus benötigt und vielleicht ein, zwei Museen besichtigen möchte, stellt sich da mit preiswerten Städtepässen deutlich besser. Städtepässe wie der „Belfast Pass“ (Preis: ab 6,78 Euro), die „Berlin City Tour Card“ (ab 16,90 Euro), die „Frankfurt Card“ (ab 10,50 Euro), die „Hamburg Card“ (ab 10,50 Euro) und die „Köln Card“ (ab 9,00 Euro) rentieren sich beispielsweise bereits ab dem dritten Besuch. Ähnlich preiswert sind die „Budapest Card“ (ab 20,12 Euro), die „Milano Card“ (ab 8,00 Euro), die Münchner „City Tour Card“ (ab 12,90 Euro), die „München Card“ (ab 9,90 Euro) und trotz seines hohen Preises der „Stockholm Pass“ (ab 62,89 Euro): Wer sie kauft, spart schon ab dem vierten Besuch einer Sehenswürdigkeit.
Teurere Pässe lohnen sich vor allem für Kulturhungrige mit der nötigen Ausdauer, wirklich viele der im Preis inbegriffenen Sehenswürdigkeiten auch zu besuchen. Die Amsterdamer „Museumkaart“, der „Venedig City Pass Complete“ und der „Stockholm Pass“ sind so genauso wie der „Berlin Pass“ und die „I amsterdam City Card“ echte „All-inclusive“-Städtepässe. Ihr Kauf rechnet sich aber nur, wenn Reisende die Pässe auch intensiv nutzen. Wer 87,33 Euro (929 schwedische Kronen) für den 48 Stunden gütigen „Stockholm Pass“ ausgibt, spart beispielsweise erst ab dem sechsten Besuch einer Sehenswürdigkeit. Wer 59,90 Euro für die „Museumkaart“ bezahlt, muss wenigstens fünf Museen in Amsterdam besuchen, damit sich der Kauf rentiert. Und die Anschaffung des 124,90 Euro teuren „Venedig City Pass Complete“ rechnet sich sogar erst ab dem achten Besuch einer Sehenswürdigkeit. Für ihn haben Venedig-Besucher aber immerhin sieben Tage Zeit.
Hinweis zur Methodik:
Für den obenstehenden Vergleich haben die Tester von Mydealz in der Zeit vom 10. bis zum 14. Juni 2019 168 Varianten von 63 Städtepässen analysiert, die für 33 Städte in zwanzig verschiedenen europäischen Ländern erhältlich waren. Neben dem Kaufpreis der einzelnen Pässe stand hierbei auch das Angebot und der jeweilige Wert eines Passes im Vordergrund. Zentral war die Frage, wie viel Euro Reisende durch den Kauf eines Städtepasses im Vergleich dazu sparen konnten, dass sie den Eintritt beziehungsweise die Gebühr für alle vom jeweiligen Städtepass abgedeckten Sehenswürdigkeiten, Touren und Führungen einzeln bezahlt hätten. Berücksichtigt wurden Pässe für folgende 33 Städte: Amsterdam, Antwerpen, Athen, Barcelona, Belfast, Berlin, Brüssel, Budapest, Dresden, Dublin, Edinburgh, Florenz, Frankfurt, Hamburg, Köln, Kopenhagen, Lissabon, London, Lyon, Madrid, Mailand, München, Oslo, Paris, Prag, Riga, Rom, Salzburg, Sevilla, Stockholm, Venedig, Wien und Zürich.