Der hessische Archivpreis ist an die Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung (Kassel) und an drei Persönlichkeiten verliehen worden: Margarethe Emslander aus Dieburg (Landkreis Darmstadt-Dieburg), Walter Seitz aus Homberg / Ohm (Vogelsbergkreis) und Marie-Luise Westermann aus Linden (Landkreis Gießen).
Wiesbaden / Kassel – Der Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz, sagte bei der Übergabe der vom Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. – Landesverband Hessen zum vierten Mal verliehenen Auszeichnung in Kassel, Archive seien für die Sicherung, Erhaltung und Nutzbarmachung unseres kulturellen Erbes unerlässlich. Die Preisgelder von insgesamt 6.000 Euro für diese bundesweit einzigartige Ehrung teilen sich das Land Hessen und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen.
Mit dem Archiv der deutschen Frauenbewegung erhält erstmals ein „Bewegungsarchiv“ die Auszeichnung. Mit diesem Begriff werden diejenigen Archive bezeichnet, welche die so genannten neuen sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts selbst ausgebildet haben oder die sich auf diese Bewegungen spezialisiert haben. Die gesellschaftlichen Bewegungen, deren Wurzeln und Zentren zumeist außerhalb administrativer Zusammenhänge zu suchen sind, schlagen sich in den großen öffentlichen Archiven mit ihren überwiegend behördlichen Unterlagen nur sehr gebrochen nieder und sind auch nur lückenhaft dokumentiert. Den „Bewegungsarchiven“ geht es darum, eine authentische Überlieferung sicherzustellen und Forschungszusammenhänge herzustellen. „Sie sind nichts weniger als Ausdruck unserer pluralistischen Gesellschaft“, hob Staatssekretär Prof. Lorz hervor. Die immense Bedeutung von Verbänden, Vereinen, Initiativen oder Interessenvertretungen für unsere freiheitliche Gesellschaft bringe schließlich auch eine entsprechend vielfältige Archivlandschaft hervor.
Das Land Hessen unterstütze solche kleineren Archive mit projektbezogener und institutioneller Förderung, sagte der Staatssekretär. Bei Bedarf stehen darüber hinaus auch die Staatsarchive des Landes mit ihrem professionellen Know-how beratend zur Seite. Die vom Land Hessen unterhaltene, bundesweit tätige Archivschule Marburg bildet nicht nur Archivarinnen und Archivaren aus, sondern hält auch ein breit angelegtes Fort- und Weiterbildungs-Angebot bereit – auch und gerade für die kleineren Archive. Speziell für die Kommunen hat das Land zu Beginn dieses Jahres bei dem Staatsarchiv Darmstadt eine Archivberatungsstelle eingerichtet.
Margarethe Emslander betreut seit 35 Jahren ehrenamtlich das Archiv der katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul in Dieburg, zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann und seit dessen Tod 1993 allein. Den rund 50 Regalmeter umfassenden Archivbestand hat sie geordnet, inhaltlich erschlossen und fachgerecht gelagert. Bis heute steht sie als Ansprechpartnerin für das Archiv zur Verfügung, aber auch für die Geschichte der Pfarrei, über die sie mehrere Beiträge veröffentlicht hat. Durch ihre sehr engagierte Arbeit hat Margarethe Emslander zur Substanzsicherung des Pfarrarchivs beigetragen, das Archivgut detailliert erschlossen und damit dessen Nutzung möglich gemacht.
Walter Seitz war von 1960 bis 1992 Bürgermeister der Stadt Homberg / Ohm. Während seiner Amtszeit ist dort das Stadtarchiv eingerichtet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, also seit nunmehr 16 Jahren, leitet er das Stadtarchiv ehrenamtlich. In dieser Zeit sorgte er dafür, dass die archivwürdigen Unterlagen der 13 im Zuge der Gebietsreform eingegliederten Stadtteile – immerhin rund 60 Regalmeter Akten – in das Stadtarchiv gelangt, fachgerecht gelagert und erschlossen worden sind.
Marie-Luise Westermann ist zu Beginn der achtziger Jahre, während ihrer Tätigkeit in der Stadtverwaltung Linden, auf das ebenso ungeordnete wie unbeachtete Archivgut der ehemaligen Stadt Großen-Linden gestoßen. In ihrer Freizeit widmete sie sich der Ordnung und Verzeichnung dieser Unterlagen. Damals musste sie auch feststellen, dass das Archivgut der evangelischen Kirchengemeinde Großen-Linden nachlässig untergebracht war und bereits Verluste aufwies. Nach ihrer Pensionierung Ende der neunziger Jahre konnte sie sich der Ordnung und Verzeichnung dieses Kirchenarchivs widmen.