Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Hurrikane-George-Entscheidung die Rechte von Pauschalurlaubern gestärkt. Informationspflichten von Reiseveranstaltern wurden ausgeweitet. Urlauber können den Pauschalreisevertrag bei gefährlichen Wirbelstürmen, Tropenstürmen, Hurrikanen, Taifunen, und sonstigen Naturkatastrophen kostenfrei kündigen.
Von Rechtsanwalt Jan Bartholl
Muenster – Der Tropensturm Fay raste vergangene Woche mit Windgeschwindigkeiten von knapp 100 Kilometern auf die Kuesten Floridas zu. „Fay“ hatte bereits die Inselkette Florida Keys ueberquert und war im Golf von Mexiko die Kueste entlanggezogen. Es wurde befuerchtet, dass sich Fay zum Hurrikan ausweitet. Zur gleichen Zeit bedroht der Taifun „Nuri“ die Nordkueste der Philippinen im Pazifik.
Es ist in der Karibik und in Asien wieder die Zeit der Wirbelstuerme. Heftige Regenfaelle, schwere UEberschwemmungen und Stuerme der staerksten Stufe lassen einen Sturm zu einem gefaehrlichen Hurrikan werden.
Die Bevoelkerung versucht ihr Hab und Gut zu sichern, flieht oft aus den betroffenen Regionen oder wird von den Sicherheitskraeften vor Ort evakuiert. Touristen bemuehen sich schnellstmoeglich aus den Zielgebieten ausreisen zu koennen.
Durch die Gefahren aufgeschreckt, ueberlegen sich einige Reisende dann, ihre Reise ueberhaupt anzutreten. Oft warten die Urlauber die Entwicklung am Urlaubsort ab und verfolgen die Nachrichten aus der Heimat, um dann kurzfristig vor Reisebeginn zu entscheiden, ob sie die Reise tatsaechlich antreten.
In einer solchen Situation kann niemand Reisende und Urlauber zwingen, offenen Auges in ein von einem Wirbelsturm betroffenes oder bedrohtes Gebiet zu reisen. Wer eine Reise in die Dominikanische Republik, nach Jamaika, Florida, nach Kuba, Mexiko oder sonst in die Karibik gebucht hat, koennen die Reise absagen.
Reiseveranstalter interpretieren solche Absagen gerne als Stornierung und verlangen postwendend hohe „Stornierungsgebuehren“. Oft werden diese pauschalierten Forderungen- nichts anderes sind Stornierungsforderungen- zu Unrecht verlangt. Reisende haben haeufig einen Anspruch auf eine kostenfreie Kuendigung beziehungsweise Stornierung der gebuchten Reise.
Bundesgerichtshof: Kostenlose Kuendigung bei Hurrikan
Droht im Zielgebiet Gefahr durch einen Hurrikan, duerfen Reiseveranstalter fuer die Kuendigung der Pauschalreise durch den Reisenden keine „Stornokosten“ oder „Stornierungsgebuehren“ verlangen. Die Kuendigung des Reisevertrages ist fuer den Reisenden kostenfrei.
Fuer Verbraucher ist es beruhigend zu wissen, dass der Gesetzgeber Reisenden fuer diese Situationen gegenueber dem Reiseveranstalter ein Kuendigungsrecht eingeraeumt hat. Das gesetzlich geregelte Kuendigungsrecht wegen hoeherer Gewalt sieht eine kostenlose Stornierung durch den Reisenden vor, soweit der Reisende die Reise noch nicht angetreten hat und der Reiseveranstalter noch keine Leistung erbracht hat.
Um den Reisevertrag kostenlos kuendigen zu koennen muss ein Fall der hoeheren Gewalt vorliegen. Dies sind Faelle von starken Wirbelstuermen, Terroranschlaegen, kriegsaehnlichen Zustaenden, Lawinenabgaengen, Hochwasser, Erdbeben, SARS Epidemie oder
Vogelgrippe.
Die Reiseveranstalter antworten den Reisenden auf Ihr Kuendigungsschreiben haeufig mit einer Stornierungsrechnung oder verweisen auf eine etwaig abgeschlossene Reiseruecktrittskostenversicherung. Der Reisende sollte seine gesetzlichen Rechte jedoch gegenueber dem Reiseveranstalter wahrnehmen und auf einer kostenlosen Kuendigung bestehen. Dem Reiseveranstalter steht in den Faellen der Kuendigung wegen hoeherer Gewalt gerade keine Stornokosten-Pauschale zu. In jenen Situationen hat der Gesetzgeber klar geregelt, dass sich der Urlauber kostenlos vom Vertrag loesen kann. Sollte der Reiseveranstalter die Kuendigungserklaerung als Stornierung lesen und eine pauschalierte Entschaedigung, die oft als „Stornokosten“ oder „Stornierungsgebuehren“ bezeichnet werden, verlangen, oder den Reisenden auf seine Reiseruecktrittskostenversicherung verweisen, ist der Reisende nicht verpflichtet dem Folge zu leisten.
Der Urlauber sollte genau pruefen, ob ein Fall der hoeheren Gewalt vorliegt oder nicht. Dies muss wegen der Einschaetzung der Gefaehrdung im Einzelfall unter Beruecksichtigung der Umstaende genau geprueft werden.
Kostenlose Kuendigung nicht bei subjektiver Angst
Wichtig ist es zu beruecksichtigen, dass subjektive AEngste, Erwartungen, Befindlichkeiten, Bedenken oder Befuerchtungen ueber die Lage vor Ort rechtlich unerheblich sind und nicht zu einer kostenlosen Kuendigung berechtigen. Entscheidend ist rechtlich die objektive tatsaechliche Lage vor Ort im Zeitpunkt der Kuendigung. Wann die tatsaechliche Lage vor Ort den Grad der rechtlich erheblichen Gefaehrdung ueberschritten hat, sollte im Einzelfall von sachverstaendigen Fachleuten ueberprueft werden.
Die weitere Entwicklung der Lage ist dann wiederum unerheblich. Droht ein Wirbelsturm oder ein Hurrikan den Urlaubsort zu erreichen und kuendigt der Reisende den Reisevertrag, so wird rechtlich bei Bewertung der Gefahrenlage nicht beruecksichtigt, ob der Sturm den Urlaubsort im Verlaufe tatsaechlich erreicht hat oder sich kurz vor Eintreffen abgeschwaecht hat. Daher ist es sehr wichtig, die Tatsachen fruehzeitig in Erfahrung zu bringen und wirksam zu sichern. Der Reiseveranstalter hat gegenueber Reiseteilnehmern eine umfassende Hinweis- und Informationspflicht.
Hurrikane-George-Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs staerkt die Rechte von Pauschalurlaubern. Den Reiseveranstalter trifft eine umfassende Informationspflicht. Klaert der Reiseveranstalter den Reisenden nicht ueber die Lage vor Ort und die Durchfuehrbarkeit der Reise auf, verstoeSSt er gegen seine Informationspflichten. Der Reisende hat im Einzelfall das Recht auf kostenfreie Kuendigung der Pauschalreise, unabhaengig von einer etwaig abgeschlossenen
Reiseruecktrittsversicherung.
Das Amtsgericht Neuwied hat in einem solchen Reiserechtsfall zu Gunsten der klagenden Reisenden entschieden (AG Neuwied, Urteil vom 31.03.2006, Az: 4 C 27/06). Der Klaeger buchte im Sommer 2005 eine Rundreise auf Kuba. Als die Medien im Herbst ueber verschiedene Wirbelstuerme berichteten, und dann der Hurrikan „Wilma“ in der Karibik aufzog, kamen dem Klaeger Bedenken. Er entschied sich eine Woche vor Reisebeginn, die Reise nicht anzutreten und schrieb der Reiseveranstalterin ein Kuendigungsschreiben. Darin forderte er den gesamten Reisebetrag zurueck. Die Reiseveranstalterin behielt die Haelfte des Reisepreises als Stornokosten ein. Nachdem die Reiseveranstalterin auf mehrfaches Verlangen des Klaegers den gesamten Reisepreis nicht zurueckerstatten wollte, zog der Klaeger vor Gericht. Das Amtsgericht Neuwied gab dem Klaeger Recht und sprach ihm den vollen Reisepreis zu.
Die Entscheidung ist rechtlich interessant, da das Gericht das Kuendigungsrecht der klagenden Urlauber im Anschluss an die Hurrikane-George-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH,
Urteil vom 15.10.2002, Az: X ZR 147/01, RRa 2002, 258, nach Zurueckweisung an OLG, OLG Frankfurt/M., RRa 2003, 110) unter anderem mit den unterlassenen Informationen der beklagten Reiseveranstalterin begruendet. Damit obliegt dem Reiseveranstalter eine umfassende Informationspflicht. Klaert der Reiseveranstalter den Reisenden nicht ueber die Lage vor Ort und die Durchfuehrbarkeit der Reise auf, verstoeSSt er gegen seine Informationspflichten. Ein solcher VerstoSS kann dann im Einzelfall zu einem Schadensersatzanspruch der Reisenden fuehren.