Der Dieseabgasskandal betrifft auch Reise- und Wohnmobile. Im Rahmen der Wertminderungsansprüche kann der geschädigte Verbraucher von der Beklagten den Betrag verlangen, um den er das Fahrzeug zu teuer erworben hat. Das wird auch als kleiner Schadenersatz bezeichnet. Das Landgericht Landshut hat diese Möglichkeit jetzt bestätigt.
Mönchengladbach – Es war im vergangenen Jahr ein wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Der VI. Zivilsenat hatte entschieden, dass dem Käufer eines Pkw der Volkswagen AG mit Dieselmotor, der mit einer Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, gegen den Fahrzeughersteller ein kleiner Schadensersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz des „Minderwerts“) zustehen kann (Urteil vom 6. Juli 2021, Az.: VI ZR 40/20). „Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich“, hieß es seinerzeit beim BGH.
Von dieser Möglichkeit hat jetzt das Landgericht Landshut im Dieselabgasskandal um Reise- und Wohnmobile in einem Verfahren gegen FCA Italy Gebrauch gemacht und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.740,63 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24. Dezember 2021 zu bezahlen und von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 973,66 Euro freizustellen (Urteil vom 18. März 2022, Az.: 54 O 1306/21).
Die geschädigte Verbraucherin erwarb im November 2018 zum Preis von 64.937,50 Euro ein Wohnmobil der Marke „Challenger“, welches auf der Basis eines Fiat Ducato aufgebaut ist. In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor mit 2,3 Liter Hubraum und einer Leistung von 109 kW verbaut mit der Abgasnorm Euro 6. Das Abgasreinigungssystem des Fahrzeugs wird nach 22 Minuten, also nach der für den NEFZ-Prüfzyklus bestimmten Zeitdauer, abgeschaltet.
Es liege auf der Hand, dass eine Manipulation wie vorliegend genauso eine sittenwidrige Schädigung wie der EA189-Motor der Volkswagen AG darstelle. Sinn einer Abgasreinigung sei gerade nicht, lediglich für 22 Minuten, also für die Zeitdauer des NEFZ-Zyklus zu funktionieren und danach komplett abgeschaltet zu werden und danach die Abgase ungereinigt in die Umwelt zu emittieren. Deswegen reiche auch die Einlassung der Beklagten, das Fahrzeug würde auf der Straße und Prüfstand identisch funktionieren, nicht aus, um eine Manipulation zu verneinen. Dies sei schließlich gerade der Kernpunkt der geltend gemachten Manipulation: Das Fahrzeug funktioniere auf Prüfstand und Straße identisch, sprich in beiden Fahrsituationen nach 22 Minuten werde die Abgasreinigung vollständig abschaltet. Auf dem Prüfstand falle dies allerdings gerade deswegen nicht auf, weil der dortige Zyklus lediglich auf diese 22 Minuten beschränke und die Messung der Abgaswerte nach Ablauf dieser Zeitspanne beendet sei, schreibt das Gericht.
„Das Gericht hat auch keinerlei Zweifel daran, dass die Abgasreinigungssoftware bewusst und gewollt auf Seiten der Beklagten so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden können. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das hier streitgegenständliche Fahrzeug liegt. Die Klägerin begehrt nicht Rückabwicklung des Kaufvertrages, sondern im Rahmen ihres Hilfsantrags Ersatz des Schadens, der in der Differenz der Werte mit und ohne Manipulation liegt. Damit hat das Landgericht den sogenannten kleinen Schadenersatz bestätigt“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Gerrit W. Hartung.
Dieselexperte Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat zuletzt in mehreren Fällen des Wohnmobil-Abgasskandals Klage gegen den Hersteller Stellantis N.V. eingereicht.