Die australische Traditionsfluglinie Qantas hat am Sonntag ihren ersten Nonstop-Flug von Australien in Europa gelandet. Der 787 Dreamliner kam frühmorgens in London-Heathrow nach über 20 Stunden Flug von Perth im Bundesstaat „Western Australia“ an. Aber bedient ein solcher Stress-Flug tatsächlich die Bedürfnisse der Kunden oder ist es mehr Effekthascherei? Was folgt nach dem Megarekord?
Sydney – Die Boeing 787-9 Dreamliner ist eines modernsten Flugzeuge weltweit. Besonders das innovative Frischluftsystem für die Kabine gilt in Fachkreisen als herausragend im Gegensatz zu den bisherigen „Fume event“-anfälligen Umluftsystemen in Flugzeugkabinen. Qantas-Kurs QF9 war am Abend zuvor in Perth an der australischen Westküste gestartet.
Bei der neuen Strecke handelt es sich allerdings nur um einen Meilenstein der renommierten australischen „Queensland And Northern Territory Air Services“, kurz Qantas. auf dem Weg zu einer neuen Ära im Luftverkehr zwischen Australien und Europa.
Es liegt auf der Hand, dass nur wenige Passagiere des Flugmarktes zwischen Europa und Australien ausgerechnet nach oder von Perth fliegen wollen und sich deshalb diesen stundenlangen Strapazenflug antuen wollen. Sydney, Melbourne oder Brisbane – wer von London nach Australien will hat vermutlich eher diese Ziele im Visier. Das bedeutet, dass Perth für diese Zielgruppe auch nur Umsteigeort ist und nach einem 20-Stunden-Flug ein weiterer Flug von mehreren Stunden Dauer zuzüglich Transitzeit in Perth ansteht.
Vor diesem Hintergrund dürfte die neue Strecke nicht automatisch zum Renner werden. Denn nach mehr ab zwölf bis 17 Stunden Flug wird selbst der komfortabelst liegende First-Class-Passagier absehbar quengelig. Weder für die Passagiere, noch für die Besatzung wird der 14.460 Kilometer-Flug Flug also zum freudigen Erlebnis werden.
Üblich auf dem Weg nach Australien ist das mindestens einmalige Umsteigen entweder in Bangkok, Singapur, Hong Kong, Tokyo oder an einem der Megahubs in den verschiedenen arabischen Emiraten, die bei der Zwischenlandung alle möglichen Shopping-, Erlebnis-, Sightseeing- oder Erholungswelten anbieten. Jedenfalls für Economy-Passagier gilt: Zumindest kann man sich hierbei besser bewegen und sich die Beine vertreten. Geringeres Trombose-Risiko eingeschlossen. Wer also nicht direkt Perth als Endstation hat, für den dürfte diese Strecke also nicht unbedingt die beste Wahl darstellen.
Das gilt insbesondere für Geschäftsreisende, wo Zeit ohnehin Geld ist, aber ein erfolgreiches Geschäft auch davon abhängt, ob der Geschäftspartner ausgeruht in Verhandlungen hineingeht.
Um diesen megalangen Flug dennoch attraktiver zu gestalten hatte Qantas in ihrem Dreamliner den Kunden mehr Platz verschafft und statt 300 Plätzen nur 236 Sitze eingebaut.
Interessant ist die Destination Perth sowohl für Touristen, die ohnehin ihre Australienreise im westlichen Australien beginnen wollten oder für Geschäftsleute, die direkt in Perth Geschäfte machen und denen eine Zeitersparnis von London aus von etwa drei bis vier Stunden in der Business-Class ein Mehrpreis von ungefähr 1.100 Euro im Verhältnis zu bisherigen Verbindungen Wert ist. Der übliche Preis für diese Strecke im Sommerflugplan liegt etwa bei 4.100 Euro. In Economy gibt es unterschiedliche Tarife. Billiger als Umsteigedienste ist die Strecke allenfalls mit dem üblichen Risiko, das Schnäppchenjäger immer eingehen müssen. Regulär jedenfalls nicht.
Richtig profitabel könnte eine Verbindung von Sydney nach London werden. Daran arbeitet auch Qantas. Maßgeblich dafür dürfte die weitere Entwicklung bei den Flugzeugherstellern sein. Sobald Großraumjets noch sparsamer und schneller werden, dürften sich allerdings auch andere Airlines mit Angeboten auf dem Markt präsentieren. .
Qantas will ab 2022 die Strecke knapp 17.000 Kilometer lange Strecke von London nach Sydney oder umgekehrt anbieten. Noch fehlen dazu die passenden Flugzeuge. Boeing und sein europäischer Konkurrent Airbus planen bereits neue Modelle und auch China könnte in der Zwischenzeit mit seiner boomenden Luftfahrtindustrie mit Überraschungen aufwarten.
Auch von Deutschland aus gab es in der Vergangenheit Langstreckenrekorde. So flog im Januar 2011 ein Airbus A340-600 der Lufthansa von München auf die Pazifikinsel Hawaii. Die Reisezeit für die etwa 13.000 Kilometer lange Strecke betrug damals 14 Stunden und 48 Minuten. Der bisherige Rekordflug von 12.500 Kilometern führte ein Jahr zuvor von München nach Santiago de Chile im südlichen Südamerika. Hier lag die Reisezeit bei 14 Stunden und 43 Minuten. Beide Flüge waren einmalige Ereignisse, die nicht im regulären Flugplan standen.
Den längsten Nonstop-Linienflug der Welt hingegen bedient aktuell noch Air India mit der gut 15.200 Kilometer langen Verbindung zwischen Delhi und San Francisco. Und nun die Qantas, die damit vielleicht ganz sanft das Anfang vom Ende der Umsteigehubs zwischen Istanbul und Jakarta einleiten könnte. Da ist immer noch Luft nach oben, oder nach vorn. (cad)