Wo findet man Cowboys und Indianer, Goldgräbercamps und Geisterstädte, viktorianische Häuser, historische Eisenbahnen, schäumendes Wildwasser, urzeitliche Fossilien und eine einzigartige Landschaft bei herrlich sonnigem, trockenen und warmem Wetter? Im Film? Im Freizeitpark? Nein, einen wahrhaft „filmreifen“ Urlaub kann man auch in der freien Natur verbringen, und zwar im Nordwesten der USA, im Bundesstaat Oregon.
Es ist kein Zufall, dass dessen dünnbesiedelter Osten schon häufig als Filmkulisse diente, doch wer diese Westernlandschaft bereist, wird bald feststellen, dass die Cowboys und Indianer hier echt sind.
Portland, der wirtschaftliche und kulturelle Nabel Oregons, ist von Deutschland aus leicht zu erreichen – mehrmals pro Woche nonstop mit der Lufthansa von Frankfurt am Main. In Portland angekommen mietet man sich am besten ein Auto – der Benzinpreis in Oregon lag im Juni bei 56 Eurocent pro Liter! – und fährt einfach Richtung Osten, zum Beispiel auf der Interstate 84 durch die malerische Schlucht des Columbia River. Bei der geringen Bevölkerungsdichte in der sonnenverwöhnten Osthälfte des Staates verwundert es nicht, wenn man hier, in einer der letzten großen Weiten des amerikanischen Westens, endlos scheinende Straßen findet, die nur ab und an von Dörfern gesäumt werden. Die Landschaft ist geprägt von einer Steppe und beeindruckenden Berggipfeln, die die Natur vor Jahrtausenden geschaffen hat.
Wolle, Weizen, Wilder Westen
Alle größeren Städte des Nordostens von Oregon reihen sich praktischerweise entlang der I 84 auf. Die größte ist auch gleich die erste, die man – von Westen kommend – erreicht: Mit seinen knapp 17.000 Einwohnern ist Pendleton heute hauptsächlich ein Umschlagplatz für Vieh, Weizen und Erbsen, die in der Umgebung gezüchtet bzw. angebaut werden. Die örtliche Wollfabrik, die „Pendleton Woolen Mills“, die seit 140 Jahren in Familienbesitz ist und durch seine Wolldecken mit indianischen Mustern berühmt wurde, kann man montags bis freitags im Rahmen einer halbstündigen geführten Tour besichtigen. Bekannt ist die Stadt aber vor allem für das jährliche „Pendleton Round-up“ (PendletonRoundup.com), ein Rodeo mit echten Cowboys und echten Indianern, das seit 1910 alljährlich Mitte September hier stattfindet. Die Bewohner von Pendleton und die Indianer des benachbarten Umatilla-Reservats arbeiten bei der Organisation eng zusammen. Das nächste Round-up steigt vom 16. bis 19. September 2009 – und im nächsten Jahr gibt es natürlich eine große Jubiläumsfeier zum 100. Geburtstag der Veranstaltung.
Von Goldsuchern, Grabungen und Geisterstädten
Nicht erst vor hundert Jahren begann die Besiedlung von Oregon. Lange vor den ersten Menschen gab es hier schon Lebewesen, deren Spuren man heute im 57 km² großen „John Day Fossil Beds National Monument“ findet. Sie bevölkerten das Gebiet vor 6 bis 54 Millionen Jahren. Eine eigene Panoramastraße mit dem klangvollen Namen „Journey through Time Scenic Byway“ verspricht mit einer „Zeitreise“ nicht zuviel, denn man findet entlang dieser Route Zeugnisse aus nahezu allen Epochen, die Oregon geprägt haben. Auf 460 Kilometern – man sollte mit 8 bis 10 Stunden Fahrtzeit rechnen – reist man nicht nur in die ferne Urzeit, sondern auch in die Geschichte der Siedler, der Indianer, der Pelzhändler und der Goldsucher.
Der Weg beginnt an der I 84 bei Biggs und endet in Baker City ebenfalls an der I 84. Zunächst erreicht man Wasco, wo noch heute der Bahnhof der Columbia Southern Railway aus dem Jahre 1898 zu besichtigen ist. Ein paar Kilometer weiter südlich kann man in Moro das Sherman County Historical Museum besuchen, das über 15.000 indianische Artefakte und Ausstellungsstücke aus der Zeit des „Oregon Trail“ zeigt, auf dem große Siedlerströme hierher fanden. Die Stadt Shaniko war vor 130 Jahren einer der weltweit bedeutendsten Umschlagplätze für Wolle und ist heute nur noch eine „lebende“ Geisterstadt. Kurz dahinter, in Antelope, das in den 1970er Jahren in die Hände einer Kommune fiel und vorübergehend in „Rajneesh“ umgetauft worden war, biegt man auf die Staatsstraße 218 ab und erreicht bald den ersten Teil der erwähnten John Day Fossil Beds.
Dieses Nationaldenkmal ist in drei Einheiten unterteilt, von denen zwei an der hier beschriebenen Strecke liegen. Rund 30 km östlich des „Clarno Unit“ erreicht man die Stadt mit dem passenden Namen Fossil aus dem Jahre 1880. Hier dürfen Hobbyarchäologen sogar selbst auf die Suche nach versteinerten Zeugen der Urzeit gehen. Besonders spektakulär ist die knapp 1.300 ha große Einheit mit dem Namen „Painted Hills Unit“. Die leuchtenden Farben dieser „bemalten Hügel“, die in allen Schattierungen der deutschen Nationalflagge schimmern, kommen am späten Nachmittag am besten zur Geltung. Die schwarzen Felsen sind besonders manganreich, die rote Farbe erhalten die Berge vom Rost der eisenhaltigen Gesteine, und das Gold stammt aus einer Mischung von oxidiertem Magnesium und Eisen. Je nach Lichteinfall und Feuchtigkeit verändern die Berge ihre Farben, so dass sie auch bei mehrmaligen Besuchen nie gleich aussehen. Wer keine große Wanderung unternehmen möchte, kann sich auf mehreren kurzen Wegen einen guten Überblick verschaffen. Zwischen Kimberly und Dayville findet man das Hauptquartier des John Day National Monument, das neue Besucherzentrum und auch die dritte Einheit des Nationaldenkmals. Das „Thomas Condon Paleontolgy Center“ hier ist täglich von 9:00 bis 16:00 Uhr im Winter und 17:00 Uhr im Frühling und Herbst und in der Hauptreisezeit (Ende Mai bis Anfang September) bis 17:30 Uhr geöffnet. Der Eintritt zu diesem Park ist kostenlos, und er kann ganzjährig besucht werden (nps.gov/joda).
Oregons nasse „Hölle“
Volltanken lassen – man darf in Oregon nicht selbst tanken – sollte man auf jeden Fall am Ende der Strecke in Baker City, denn außerhalb gibt es nur wenige Tankstellen. In Baker City beginnt auch gleich eine weitere Panoramastraße, der „Hells Canyon Scenic Byway“, für den man weitere 8 Stunden Fahrtzeit einplanen sollte.
Baker City, das heute knapp 10.000 Einwohner zählt, galt Ende des 19. Jahrhunderts als Königin unter den Goldminenstädten. Viele, die auf dem Oregon Trail nach Westen kamen, blieben in dieser Gegend, um nach Gold zu schürfen. An diese Zeiten erinnert ein rund 2,2 kg schwerer Goldklumpen, den ein gewisser George Armstrong 1913 hier fand und den man in der U.S. Bank an der Main Street besichtigen kann. Nachdem die Minen ausgebeutet waren, drohte auch Baker City das Geisterstadtschicksal vieler ähnlicher Siedlungen, doch die Ankunft der Eisenbahn brachte die Rettung. Deshalb findet man auch heute noch gut erhaltene viktorianische Architektur in der Innenstadt, zum Beispiel in Form des Geiser Grand Hotel.
Die 335 km lange Panoramastraße zum Hells Canyon beginnt und endet an der I 84 und führt rund um die Wallowa Mountains, die aus Basalt und Granit entstanden und ein wenig an die Schweizer Alpen erinnern. Nahe der Grenze zum Nachbarstaat Idaho passiert man dann einen Teil des Hells Canyon, eine vom Snake River gebildete, sehr eindrucksvolle Schlucht. Sie ist insgesamt 200 km lang und mit einer Maximaltiefe von 2.400 Metern tatsächlich die tiefste Schlucht Nordamerikas. Die 2.640 km² große „Hells Canyon National Recreation Area“ wurde 1975 als Erholungsgebiet ausgewiesen. Zum Aussichtspunkt „Hells Canyon Overlook“ muss man in eine kleine Stichstraße abbiegen und genießt dann aus 1.650 m Höhe einen einzigartigen Ausblick auf McGraw Creek, Hells Canyon und die Seven Devils Mountains.
Bootstouren durch die Höllenschlucht bietet der Veranstalter Hells Canyon Adventures (HellsCanyonAdventures.com) von Mitte Mai bis Mitte September an. Tagestouren mit dem Wildwasserschlauchboot führen über eine Strecke von rund 63 km Länge. Um teilnehmen zu können, müssen Kinder im Sommer mindestens acht und im Frühjahr (wenn das Wasser schneller fließt) mindestens zwölf Jahre alt sein, denn die Fahrt führt teilweise durch Stromschnellen mit Schwierigkeitsgrad IV. Wem das zu gewagt erscheint oder wer mit kleinen Kindern reist, findet beim gleichen Veranstalter als Alternative auch Halbtagsausflüge mit dem „Jet Boat“.
Ein Wildwasserabenteuer, das auch für Kinder geeignet ist, erwartet Urlauber auf dem Wallowa River, der einige Kilometer östlich des Hells Canyon fließt: Mit dem Schlauchboot oder Kajak geht es zunächst von Minam aus über 16 Flusskilometer, deren Stromschnellen der Schwierigkeitsgrade I und II angehören und die wild genug sind, um Kinder in Aufregung zu versetzen, aber nicht so gefährlich, dass sich die Eltern sorgen müssten, bis zur Mündung des Wallowa in den Grande Ronde River. Am Zielpunkt werden die Boote auf den „Eagle Cap Excursion Train“ (EagleCapTrain.com), eine historische Eisenbahn, verladen und zusammen mit den Passagieren zurück zum Ausgangspunkt gebracht. Während der Zugfahrt kann man den Fluss noch einmal von oben sehen. Weitere Informationen zu diesen Angeboten findet man unter WindingWatersRafting.com/grande_day.php.
Foto: Oregon Tourism Commission