Serbiens zweitgrößte Multikulti-Metropole zelebriert sich mit Programm der Völkerverständigung
Novi Sad – Serbiens zweitgrößte Stadt Novi Sad ist 2022 Europäische Kulturhauptstadt (ECOC) und zelebriert diesen Titel mit einem bunten Kulturprogramm, das sehr viele brandaktuelle Themen umfasst. „Das Programm, das über das ganze Jahr geht, bringt auch heiße Themen ins Rampenlicht“, so ECOC-Programmdirektorin Sara Vuletic im pressetext-Interview. Friede in Europa, die Umweltverschmutzung der Donau, Migration sowie Themenbereiche des „anderen Europa“, gemeint sind hier Minderheiten sowie Menschen mit Behinderungen, werden ins Zentrum des Interesses gerückt, erklärt Vuletic. Dazu wurden Cultural Stations geschaffen. Einige Spielstätten wurden dafür renoviert beziehungsweise wiederbelebt, wie etwa die alte Seidenfabrik Svilara.
Junge City, progressive Bewohner
„Novi Sad ist als Studentenmetropole mit rund 50.000 Studierenden ohnehin seit einigen Jahren als hippe jugendliche City mit einem reichen Angebot an kulturellen Veranstaltungen bekannt“, schildert eine junge Mathematik-Studentin. „Novi Sad ist seit Kurzem auch die größte Fahrrad-Metropole Serbiens“, betont sie. Den Titel „Jugendhauptstadt Europa 2019“ hat sich die Stadt wirklich verdient. Dass Novi Sad, das an der Donau liegt und dessen drei Brücken im Zuge eines Nato-Angriffs 1999 zerstört wurden, als Thema „Neue Brücken“ (Docek) wählt, weist auch darauf hin, dass man sich aktuellen Problemen stellt. Mittlerweile sind alle Brücken wieder aufgebaut – eine davon als kombinierte Autobahn- und Eisenbahnbrücke. Mit der Ernennung zur Kulturhauptstadt feiert man auch die brandneue Hochleistungsbahnverbindung nach Belgrad, die erst im März eröffnet wurde.
Die reichhaltige Geschichte der Stadt hat auch die Menschen geprägt. Multikulti ist in der autonomen Provinz Vojvodina, dessen Kapitale auch Novi Sad ist, eine gelebte Tatsache. Der Großteil der Menschen, die hier leben, haben Vorfahren aus anderen Regionen: Serben, Ungarn, Slowaken, Kroaten, Rumänen und Montenegriner leben hier. Dazu kommen noch Minderheiten von Bulgaren, Roma, Russinen, Russen sowie Serbendeutsche.
Im Vojvodina-Museum kann man die Geschichte bis in die Frühzeit zurückverfolgen. Besonders stolz ist man auf die drei goldenen Helme römischer Krieger, die weltweit zu den größten Schätzen der Antike gehören, wie auch Kuratorin und Pressesprecherin Slađana Velendecic ausführt. Enge geschichtliche Bindungen an die Habsburger-Monarchie gibt es zuhauf, erklärt der Fremdenführer Dima. Die Stadt ist jung, denn im Zuge der ungarischen Revolution wurde sie 1849 fast komplett zerstört und dann teilweise im Ringstraßenstil wieder aufgebaut. So orientierte man sich etwa bei der Errichtung des Rathauses am Pendant in Graz.
Petrovaradin: Gibraltar der Donau
Mächtig thront die Festung Petrovaradin über der Donau. „Von der Ferne kann man ihre gesamte Ausdehnung allerdings nicht wirklich ausmachen“, erklärt Dima. Mit einer Gesamtfläche von 112 Hektar gehört sie zu den größten Wehranlagen Europas. „Mit dem Bau haben die Habsburger 1692 begonnen. Knapp 100 Jahre später erreicht sie mit der Unterstadt und den kilometerlangen unterirdischen Gängen ihre größte Ausdehnung.“
„Anlässlich der Ernennung zur Kulturhauptstadt wurde begonnen, die Unterstadt – mit der serbisch-orthodoxen Kirche des Heiligen Georg und einem weitläufigen Kloster sowie zahlreicher Wirtschaftsgebäude – zu renovieren. Auf der Festung haben mittlerweile auch zahlreiche Künstler Ateliers gefunden“, erklärt der Experte. Eines davon ist das mittlerweile weithin bekannte Atelier 61, eine Werkstätte für großflächige Tapisserien. „Die Wandteppiche sind eine traditionelle und eigenständige Kunstform in Serbien, die es zu erhalten gilt. Hier werden solche Teppiche nach Vorlagen moderner Kunstwerke gefertigt“, weiß Dima.
Zentrum zeitgenössischer Kunst
Zu den bekanntesten Kultur-Standorten gehört die Galerija Matica Srpska , die 1826 nach ungarischem Vorbild gegründet wurde, um die Landeskunst aufrechtzuerhalten und zu fördern. Inzwischen verfügt die 1847 gegründete Galerie über eine große Sammlung an Gemälden, Drucken und Plastiken. Während der ECOC haben einige Bewohner der Stadt aus dem reichhaltigen Fundus des Museums ihre persönlichen Lieblingswerke ausgewählt. Diese werden im Rahmen der Ausstellung „Novi Sad Citizens Choose“ ausgestellt. Darüber hinaus gibt es eine Ausstellung zum Thema „Migration“, in der unter anderem das 2019 geschaffene Monumentalwerk „Didaktische Wand: Barrieren“ von Mladen Miljanovic gezeigt wird. Weitere Informationen zur ECOC – Kaleidoskop gibt es online.