Krummdolche, Silberschmuck und Weihrauch, aber auch Wasserpfeifen, Datteln und Kaffee – auf den Märkten Jemens wird jeder fündig. Allerdings: Ambitionierte Feilscher werden hier kein Paradies finden. Im Gegensatz zu den Basaren und Märkten in anderen arabischen Ländern liegen die hier geforderten Preise selten astronomisch weit über dem „Normalpreis“. Die Devise lautet: Kunstvolle Handwerksprodukte statt Handelsmarathon.
Frankfurt – Wie in nahezu allen arabischen Ländern sind auch die Suqs im Jemen nicht nur das Zentrum des lokalen Handels, sondern zugleich Mittelpunkt des sozialen Lebens bis hin zu Foren lokaler Politik. Die städtischen Markt- und Handwerksviertel sind fast alle traditionell gewachsen und in nach außen abgegrenzten Vierteln untergebracht, die einst oft mit mächtigen Toren verschlossen wurden. In diesen Bezirken sind die Geschäfte und Werkstätten dicht an dicht in einzelnen, meist eingeschossigen Häusern untergebracht, immer nach Warengruppen getrennt: Hier Stoffe und Bekleidung, dort Schmiedearbeiten, Silberwaren und Krummdolche, da Gewürze, Nüsse und Trockenobst und so weiter.
Das beliebteste Jemensouvenir ist mit Abstand der traditionelle Krummdolch (Janbiya, auch Jambia oder Dschambija). Er kann zwar komplett in einem Laden erstanden werden. Interessanter ist es jedoch, die Einzelteile, also Gürtel, Scheide und Dolch, ganz nach Geschmack selbst im Suq zusammen zu stellen und zu kaufen. Ganz teure, wenn auch seltene Stücke haben Klingen aus massivem, sorgfältig geschmiedetem Stahl. Die lederne oder silberne Scheide ist nicht minder wichtig, ebenso der kunstvoll bestickte Gürtel. Die Kosten schwanken – je nach Handwerkskunst und filigraner Kleinarbeit.
Was dem Reisenden als Souvenir und Beispiel traditioneller Handwerkskunst dient, ist im Jemen selbst dereinst eine Nahkampfwaffe gewesen, heute aber vor allem ein Status-Symbol. Der Krummdolch – übersetzt bedeutet der Name so viel wie „an der Seite“, wird aber heutzutage grundsätzlich mittig im Gürtel getragen – gehört zum Outfit nahezu jedes jemenitischen Mannes, insbesondere in den Regionen des Berg- und des zentralen Hochlandes. Dabei wird er nicht nur an besonderen Festtagen angelegt, sondern ist vielmehr ein wichtiges Kleidungsstück. Ja, man könnte sagen: vielsagender Alltagsschmuck. Der zugleich praktischen Zwecken dient: Der moderne Jemenite klemmt gern mal zwischen Bauch und Gürtel den Autoschlüssel ein oder zweckentfremdet ihn als Handyhalter.
Der Krummdolch ist einerseits sichtbares Zeichen der Stammeszugehörigkeit, denn ein altes Gewohnheitsrecht besagt, dass nur Angehörige eines festen Stammesverbands Waffen tragen dürfen. Andererseits demonstriert er daneben auch Wehrfähigkeit sowie Rechtsfähigkeit und Männlichkeit seines Trägers, steht für Stärke und Reife eines erwachsenen Mannes. Jung-Jemeniten haben zwar oft schon als Kinder eine Light-Version, einen richtigen Dolch erhalten Knaben in der Regel aber erst mit 14 Jahren.
Kein Wunder, dass der Janbiya damit auch symbolische Werte verdeutlicht: Wer einem anderen Geld leiht, bekommt oftmals dessen Dolch als Pfand. Während Streitigkeiten, in denen ein Mittler um Schlichtung bemüht ist, muss der Dolch abgegeben werden. Richter müssen ihren Janbiya bei Gericht ablegen. Auch wer einen Zivilprozess verloren hat, muss oftmals eine Weile auf den Dolch verzichten. Das alles hat lange Tradition: Bereits auf Steinen aus vorislamischer Zeit finden sich Menschendarstellungen mit dieser Waffe.
Kommen wir zur Verarbeitung: Die Ausstattung des Griffs, der Klinge und Scheide ist vielfältig und variiert nicht nur nach Alter und Güte des eigentlichen Objekts im Preis. Mit Rang und Alter des Trägers steigen ebenso Qualität und Wert des Dolches.
Die Krümmung der Scheide täuscht dabei eine ebenso starke Krümmung der Klinge vor, die tatsächlich jedoch nur leicht gebogen ist. Der Griff ist in der Regel aus Tierhorn, selten aus Silber oder gar Glas, die Scheide ist aus Leder, gelegentlich aus Silber. Die Zeiten der Vollstahlklinge sind zumeist dahin und nur bei älteren Stücken zu finden. Bei den neuen Klingeln handelt es sich – nicht zuletzt aus Kostengründen – oft um zusammengesetzte Stahlblechhälften, importiert aus Asien. Echt jemenitische Handarbeit ist neben Griff und Scheide dabei vor allem der handbestickte Gürtel, meist mit Gold- und Silberfäden durchzogen. Zuschauen darf „man(n)“ dabei allerdings nicht – im Gegensatz zu den anderen Janbiya-Bestandteilen, die man im Suq erstehen kann. Denn: Die Gürtel sind reine Frauenarbeit, werden zumeist in Heimarbeit erstellt.
Bleibt noch die Preisfrage. Je nach Verarbeitung ist der Janbiya schon für Kosten von 2.000 bis 10.000 Rial, aber auch mehr, erwerbbar, umgerechnet knapp sieben Euro bis rund 35 Euro. Alte Stücke, vor allem solche, die Horn verarbeiten, können natürlich auch weit darüber liegen (ab 150.000 Rial, etwa 515 Euro). Die wertvollste Janbiya soll 2003 oder 2005, über die Jahreszahl scheint Uneinigkeit zu herrschen, den Besitzer gewechselt haben – für eine Million US-Dollar! Im Preis sind sich allerdings die Quellen dann wieder einig.
Wer bei der Rückreise keine Probleme kriegen möchte, sollte ihn wohlverpackt im Koffer statt Handgepäck transportieren. Und Achtung: Aus Artenschutzgründen besteht bereits seit 1984 für den Jemen ein Importverbot für Nashorn-Hörner. Wegen der Verwendung des Horns für die Griffe ihrer Krummdolche soll der Jemen in den vorangegangenen Jahrzehnten indirekt zu etwa 40 Prozent am Rückgang dieser Tierart beteiligt gewesen sein. Die Antikenbehörde achtet nun zumindest darauf, dass solche Ware den Jemen nicht mehr verlässt. Touristen sollten daher besser nur politisch und ökologisch korrekte Janbiya kaufen – sonst folgt das böse Erwachen spätestens beim deutschen Zoll.
Allgemeine Jemen-Informationen im Internet unter yementourism.com. Deutschsprachige Jemen-News unter cc-pr.com.
Foto: YTPB