Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Das Lufthansa-Management unter dem Chef Carsten Spohr ist beeindruckt vom „System Ryanair“. Was der irische Billigflieger seit Jahren praktiziert und damit viel Geld verdient wird nach und nach auch den Lufthansa-Passagieren zugemutet. Doch bald schon scheint die Fahnenstange erreicht zu sein. Der neueste „Coup“ des LH-Patrons lautet: Geld her für die Sitzplatzwahl in Europa.
Frankfurt – Es war stets ein Stück Vorfreude auf eine entspannte Flugreise mit dem europäischen Großcarrier Lufthansa, die Wahl eines Sitzplatzes am Check-In oder online. Doch für bestimmte Tarife ist damit nun Schluß. Auf Europaflügen im Economy-Light-Tarif müssen Kunden bald bezahlen, wenn sie den zugeteilten Platz ändern wollen. Das System „Ryanair“ lässt grüßen.
Schon eine ganze Weile verlangt die Airline Geld für die Sitzplatzreservierung. 12 Euro muss ein Reisender auf Europaflügen pro Strecke auf den Schalter legen, wenn er sich einen bestimmten Sitzplatz im Voraus reservieren will. Und wer weiter vorne im Flieger sitzen will, muss gar mit 17 Euro rechnen, Beinfreiheit kostet extra: ganze 25 Euro.
Bisher galt: Wer die Gebühr sparen will, kann bis zur Freigabe des Web-Check-ins warten. Denn ab 24 Stunden vor Abflug kann man sich kostenlos selbst einen Sitzplatz auswählen. Wer also auf ein besonderes Flugerlebnis setzen will muss einfach nur pünktlich sein. Noch! Denn damit ist auf Europaflügen schon bald Schluss. Jedenfalls wenn man den günstigsten Tarif namens „Economy Light“ nutzt. Das ist schon fast Billigheimer-Niveau, nur die Preise für das Ticket sind teurer. Ab dem 21. Juni wird mal wieder ein neues System eingeführt. Das bringt einen Cash-Schub in die Lufthansa-Kassen.
Beobachter erwarten, dass auch die vielen Tochterfirmen Austrian Airlines, Swiss, Brussels Airlines, Air Dolomiti, Eurowings, Sun Express, Edelweiss-Air, Lufthansa City Line schon bald das gleiche machen werden. Das Geld kann der Konzern gut gebrauchen denn man ist dabei, sich den italienischen Alitalia-Nachfolger ITA ins Portfolio zu holen.Ein Angebot wurde bereits abgegeben und die Verhandlungen laufen.
Wer also mit seinem automatisch zugewiesenen Platz nicht zufrieden ist, muss für einen „Seat Change“ zahlen. Die Änderungsgebühr von 25 Euro pro Strecke pro Standardsitz gilt nur für den Euro-Raum. Schweizer und USA-Reisende zahlen mehr. 35 Franken kostet es ab der Schweiz und 35 US-Dollar ab den USA. Immerhin ein Aufschlag von 35 bis 30 Prozent auf den europäischen Aufschlag.
Mit diesem neuen „Service“ wird für Kunden das Spießroutenlaufen zwischen den vielen Tarifen und kostenpflichtigen Extraleistungen einmal mehr spannend. So kennt man es von Michel O’Leary’s Billigflieger Ryanair, der bereits seit Jahrzehnten mit Zusatzgebühren experimentiert, damit hohe Gewinne einfliegt und zugleich zur größten europäischen Airline aufgestiegen ist. Markige Sprüche und schlechtes Image über das man redet. Immerhin: Man redet darüber.
Schaute man bei Lufthansa zunächst auf den irischen Billigheimer herab, scheint dieser mittlerweile zum großen Vorbild aufgestiegen zu sein. Auch bei Lufthansa, die beim Marketing, der Personalauswahl und in Krisensituationen so großen Wert auf psychologisch kluges Handeln Wert legt, scheint dies bei der Kundenzufriedenheit immer weniger an Bedeutung zu erhalten. Der Kunde, der bei jeder noch so kleinen Gelegenheit zur Kasse gebeten wird braucht eben nicht noch entspannt seinen Flug anzutreten. Oder um es mit Michael O’Leary’s Worten zu sagen: „Jeder, der glaubt ein Flug mit uns ist eine Entspannung hat sich geschnitten. Wir bombardieren alle mit soviel Ansagen und Verkaufsangeboten wie wir können. Und wer trotzdem einpennt den wecken wir auf und versuchen ihm etwas anzudrehen.“
Schon jetzt, vor Einführung des neuen Tarifs, hat Lufthansa angekündigt die neuen Gebühren auch bei Austrian Airlines und Swiss anzuwenden. Faktisch führt die Maßnahme dazu, dass der „Economy Light“-Tarif ganz schnell nicht mehr der günstigste Tarif für Kunden bleibt. Eher noch für Menschen, die per „Augen zu und durch“ von A nach B wollen und die keinen Bedarf an einem Wunschsitzplatz haben. Also genau die Zielgruppe, der auch mit dem klassischen Ryanair-Image keine Berührungsängste hat. Diese Kunden würden insgesamt allerdings dort sogar noch deutlich günstiger wegkommen.