Sicherheit ist derzeit mehr denn je der wichtigste Entscheidungsfaktor für Reisende aus dem deutschsprachigen Raum. Wer entscheidet, was sicher ist, wie wird Sicherheit wahrgenommen und wie geht man mit den Hinweisen des Auswärtigen Amtes richtig um?
Frankfurt – In Anbetracht der angespannten Sicherheitslage in vielen Ländern und Regionen dieser Welt stellt sich die Frage, in wieweit auch Lateinamerika von seiner politisch stabilen und neutralen Situation im Zusammenhang mit den aktuellen Terroranschlägen profitiert und als sicheres Reiseziel wahrgenommen wird.
„Differenzieren ist wichtig“, lautet das Fazit der Podiumsgäste des 13. Lateinamerika-Forums am 10. März 2016 auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin.
Der Begriff und das Verständnis von Sicherheit haben sich verändert. Vor Jahren war Lateinamerika ein Risikoziel. Heutzutage könnte U-Bahnfahren in einer europäischen Großstadt gefährlicher sein. Es gibt Länder in Lateinamerika, die zu den sichersten Reiseländern der Welt zählen, aber auch andere, die in puncto Sicherheit noch Nachholbedarf haben.
Podiumsgast José Napoleón Duarte, Tourismusminister von El Salvador betonte die hohen Sicherheitsvorkehrungen und den Einsatz von Polizei, Rotem Kreuz und anderen staatlichen Sicherheitsorganen während des kürzlich stattgefundenen „Iron Maiden Konzerts“ mit ca 25.000 Besuchern. Erfolgreich: Alles verlief friedlich. Auch ein kleines Land wie El Salvador ist bestrebt seine Sicherheitsstandards kontinuierlich zu verbessern und die Tatsache, Gastgeber für ein Event dieser Größenordnung sein zu dürfen, spricht für sich. Der Tourismusminister betonte, dass El Salvador ein friedvolles Land sein möchte, und dass der Tourismus, durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die dadurch reduzierten sozialen Konflikte, ein wichtiger Impulsgeber zur Friedensbildung darstellt.
Auf die Frage des Moderators Andreas M. Gross: „Was würden Sie sagen, wenn jemand nach Lateinamerika reisen möchte?“ an Klaus Hildebrandt, Chefredakteur der Fachzeitschrift Fremdenverkehrswirtschaft, erläutert dieser, dass Konsumenten und Reisebüroagenten eine unterschiedliche Wahrnehmung haben. Die Region Karibik wird völlig anders wahrgenommen, als die anderen Regionen Lateinamerikas, in erster Linie bedingt durch die unterschiedlichen Urlaubs-, beziehungsweise Reisearten. Die karibischen Destinationen sind überwiegend Badeziele, wogegen Reisen auf dem Subkontinent in erster Linie Rund- und Studienreisen sind. Damit die Menschen aber die Regionen und Produkte differenzieren können, muss Aufklärung von Seiten der Länder und Veranstalter betrieben werden.
Peter Strub, Mitglied der Unternehmensleitung von Studiosus, der Reiseveranstalter mit einem zertifizierten Sicherheitsmanagement, beantwortet die Frage: „Woran misst Studiosus, welche Region als sicher definiert wird und nach welchen Kriterien wird eine Region als riskant eingestuft?“, „Studiosus richtet sich in erster Linie nach den Empfehlungen des Auswärtigen Amtes. Verschiedene Länder dieser Welt, die in der Vergangenheit als sicher galten, haben aufgrund von terroristischen Anschlägen, oder erhöhter Kriminalität an Potential verloren. In Bezug auf Sicherheit vor terroristischen Anschlägen werden die Galápagos-Inseln und Island als sicherste Destinationen eingestuft. Es gibt dort aktuell auch keine Gesundheitsrisiken durch Viren, jedoch Vulkane, die ebenfalls einen Risikofaktor darstellen könnten. Man muss die Risiken abwägen! Zudem müssen Haftungsrisiken von Seiten der Reiseveranstalter beachtet werden.
Der Referatsleiter Mexiko, Zentralamerika und Karibik des Auswärtigen Amtes, Dr. Rüdiger Lotz sieht die Pflicht des Auswärtigen Amtes darin, Informationen für den Verbraucher zur Verfügung zu stellen, aber nicht den Tourismus in bestimmte Regionen zu fördern. Er teilt die Einschätzung der anderen Podiumsgäste, dass sich die Sicherheitslage in Lateinamerika verbessert hat und die Region nicht vom islamistischen Terrorismus gefährdet ist. Zudem sei das Auswärtige Amt stets offen für Diskussionen mit den einzelnen Ländern in Bezug auf die Darstellung der Sicherheitslage.
Ein Land, welches den Wandel von einer Risikodestination zu einem äußerst beliebten Reiseziel in großartiger Weise vollzogen hat, ist Kolumbien. Der Beauftragte Direktor und Senior Tourismusberater für Mittel- und Osteuropa von ProColombia, Jewgeni Patrouchev, betont, dass in 2008 lediglich 23 deutsche Reiseveranstalter Reisen nach Kolumbien anboten. Heute sind es 130. Die Zahlen haben sich von 22.000 deutschen Besuchern in 2008 auf knapp 60.000 in 2015 absolut positiv entwickelt. Diese positive Entwicklung war nur durch umfangreiche Marketing- und Schulungsmaßnahmen möglich, u.a. die äußerst erfolgreiche Kampagne mit dem Slogan „Kolumbien – das einzige Risiko ist, dass Du bleiben möchtest“. Klaus Hildebrandt betont ebenfalls die „vorbildliche Werbung von Kolumbien“ das den Weg aus der negativ-Berichterstattung geschafft hat.
Das Fazit der Podiumsdiskussion, zusammengefasst durch den Moderator, Andreas M. Gross, 1. Vorsitzender der ARGE Lateinamerika e.V., die sich seit über 30 Jahren für die Förderung des Tourismus in die Region einsetzt, lautet: „Die Entwicklung ist positiv! Reiseveranstalter, das Auswärtige Amt, die Fachmedien und die Länder, sind sich einig, dass Differenzierung wichtig und ständige Aktualisierung von Sicherheitshinweisen unbedingt erforderlich ist. Es sind die einzelnen Länder gefragt, ihr Image zu verbessern und zu einer positiven Gesamtentwicklung der Region beizutragen. Diese Verantwortung darf ein Land nicht allein den Veranstaltern oder der Presse überlassen.“
Über 200 Gäste verfolgten die angeregte Podiumsdiskussion unter der Moderation von Andreas M. Gross, 1. Vorsitzender der ARGE Lateinamerika. In Zusammenarbeit mit der Messe Berlin organisiert die Arbeitsgemeinschaft Lateinamerika e.V. alljährlich die Veranstaltung „Forum Lateinamerika“ im Rahmen des ITB Kongresses.
Foto: Carstino Delmonte