Kubas Alltag in Little Havanna
USA: Im Stadtteil von Miami ist die Kultur Lateinamerikas allgegenwärtig
Miami. Duft von Tabak und Kaffee mischt sich mit Rhythmen von Salsa und Merengue. Das kubanische Herz schlägt rund um die Eight Straße South West in Little Havanna.
Kubas Alltag in Little Havanna
USA: Im Stadtteil von Miami ist die Kultur Lateinamerikas allgegenwärtig
Miami. Duft von Tabak und Kaffee mischt sich mit Rhythmen von Salsa und Merengue. Das kubanische Herz schlägt rund um die Eight Straße South West in Little Havanna. Besser bekannt ist sie als Calle Ocho. Nur eine knappe Busviertelstunde entfernt vom Coconut Grove, dem Künstlerviertel der Schönen und Reichen, ist die Nähe zu Kuba allgegenwärtig. Rund 1 Millionen Exilkubaner zählt der Stadtteil. Viele haben es zu Wohlstand und ein bisschen mehr gebracht. Verstärkt kamen in den letzten Jahren auch Einwanderer aus Honduras und Nicaragua. Sie leben mit anderen Hispaniern in guter Nachbarschaft.
Jürgen Doeringer kam vor elf Jahren aus Baden-Baden nach Miami. Der Szenekenner ist mit einer Amerikanerin verheiratet und chauffiert uns im Auftrag seiner Agentur „Dragony Expeditions“ quer durch das Überbleibsel lateinamerikanischer Kultur. Die pflegt schon am frühen Morgen das ältere Semester. Die Senioren vergnügen sich im Maximo Gomez Park beim Dominospiel. Stundenlang schieben sie klappernd eckige Steine hin und her. Es wird gelacht, geflucht, lauthals diskutiert oder stumm auf kalten Zigarren gekaut. Im Dominopark herrscht strengstes Rauchverbot.
Pedro Bello, 80 Jahre und Tabakexperte
Anders hält es Pedro Bello einige Schritte weiter in seiner berühmten Cigar Factory. Integriert ist eine Raucherlounge. Hier werden Zigarren in allen Preislagen angeboten. So auch die teuerste, eine „Bello Vintage Salomon“, für 25 USDollar das Stück. Alle Tabake, die der 80jährige vearbeiten lässt, stammen aus kubanischem Saatgut, das illegal ausgeführt und in der Dominikanischen Republik, Hoduras und Nicaragua angebaut wird.
Bevor Senior Pedro Bello 1979 aus Kuba emigrierte, saß er 20 Jahre in Castros Gefängnissen. Sein Vergehen: Er wollte seinen Besitz nicht der Regierung überschreiben. Heute steht der Fachmann und Garant für qualitativen Rauchgenuss nur noch gelegentlich hinter dem Ladentisch. Sein Sohn Peter Bello junior führt jetzt mit sechs Angestellten die Geschäfte. In der kleinen Zigarrenfabrik wird noch solide Handarbeit geschätzt. „Tabaceros“ rollen hingebungsvoll Blätter um Tabakbrösel. Manchmal sind die braunen Rauchstengel, kauft man sie auf der Straße, nicht echt, dafür aber billig.
Schwarzer Kaffee und ein Schluck Zuckerrohrsaft
Echt hispanisch geht es auch in den Straßen von Little Havanna zu. An Stehbuden wird kubanischer Kaffee aus fingerhutgroßen Töpfchen geschlürft und Zuckerrohrsaft ausgeschenkt. In den Open-Air-Geschäften werden Lebensmittel kubanischer Herkunft feilgeboten und in Restaurants laben sich Gäste an Spezialitäten landesrypischer Sandwiches. Immer, wenn der Gaumen daran Freude findet, kommen arroz con polle (Hühnchen mit gelbem Reis) oder lechon asado (mariniertes Spanferkel) zu günstigen Preisen auf den Tisch. Kubanische Küche ist auch im Versailles Restaurant gefragt. Bei Bohnen, Stew und Fischspezialitäten trifft sich hier fast täglich das bunte Völkchen lebhafter Exilanten. Auf Spanisch, der Hauptsprache in Little Havanna, wird ausgiebig angestoßen, diskutiert und palavert. „Englisch verstehen Kubaner hier nur nach Lust und Laune“, schmunzelt Reiseführer Jürgen Doeringer, der es wissen muss.
Sehnsucht nach der Heimat
Wenige Schritte entfernt erinnert das Monument „Bay of Pigs“ an die Invasion in Kuba vor knapp 40 Jahren. Nebenan auf dem Friedhof „Woodlawn Park Cemetery“ sind drei ehemalige Präsidenten Kubas beerdigt. Und noch immer brennt hier ein „ewiges“ Feuer für die Märtyrer des verzweifelten Versuchs, Kuba einzunehmen. Doch niemand scheint sich mehr darum zu kümmern, die vom Denkmal abfallenden Kacheln zu ersetzen. Dagegen verspüren einige der ehemaligen Untertanen Fidel Castros den sehnlichen Wunsch, bald wieder in der Heimat zu sein. Sei es, dass sich die politische Lage ändert oder das Heimweh wenigstens zum vorübergehenden Besuch auf die Insel drängt. Denn Little Havanna bleibt für viele eben doch nur ein notdürftig gewählter Ersatz zum kubanischen Original.
Günter von Saint-George