Crash-Tests belegen: Sicherheitsreglung für Kleinkinder in Flugzeugen gefährlich / TÜV Rheinland empfiehlt geeignete Kindersitze
Köln – Achtung, Baby an Bord! Diese Warnung scheinen viele Airlines zu ignorieren, die Kleinkinder im Flugzeug unangeschnallt (Lap Holding) oder nur mit einem Schlaufengurt (Loop Belt) fixiert auf dem Schoß der Eltern sitzen lassen.
Im Notfall sind die Kinder dann völlig unzureichend geschützt. Das haben Dummy-Versuche von TÜV Rheinland auf der Crash-Bahn der TÜV Rheinland TNO Automotive International im niederländischen Helmond erneut gezeigt. Die Kölner Experten haben getestet, wie sicher ein Schlaufengurt oder der unangeschnallte Transport im Falle einer Notlandung wirklich sind.
Das Fazit ist erschreckend: „Kinder fliegen gefährlich“, resümiert Martin Sperber von TÜV Rheinland. „Denn sowohl auf dem Schoß sitzend als auch mit einem Loop Belt angeschnallt, trägt ein Kleinkind im Ernstfall schwere bis lebensgefährliche Verletzungen davon.“ Trotzdem sind dies die Standardmethoden der meisten weltweit operierenden Fluglinien zur Sicherung von Kleinkindern an Bord. Darüber hinaus plant die EU, ab Juli 2008 die gefährlichen Schlaufengurte in Europa zuzulassen.
Ein Grund für dieses Risiko liegt in den allgemeinen Fluggastbestimmungen der Airlines, gemäß derer Kinder unter zwei Jahren keinen Anspruch auf einen eigenen Sitzplatz haben. „Wollen Eltern ihre Kinder mit an Bord nehmen, ist nur Platz auf ihrem Platz“, stellt Martin Sperber fest. Beim Lap Holding sitzt das Kind ungesichert auf dem Schoß des Erwachsenen, der mit dem normalen Sitzgurt angeschnallt ist und das Kind während des Fluges mit den Händen festhalten muss. Doch schon bei starken Turbulenzen wird es brenzlig: Die dabei in der Kabine wirkenden Kräfte betragen bis zu 6 G (also das 6fache der Erdbeschleunigung), bei einer Notlandung sogar bis zu 16 G. Im Klartext: Ein 11 Kilogramm schweres Kind wird dadurch zu einem fast 180 Kilogramm schweren „Geschoss“ – und fliegt ungesichert durch die Kabine. Denn Eltern können ihre Kinder dann in keinem Fall festhalten.
Ein Schlaufengurt, der so genannte Loop Belt, hält das Kleinkind zwar auf dem Schoß des Erwachsenen fest, doch gleichzeitig sitzt das Kind in der Falle. Denn: „Das Kind wird im Notfall zum natürlichen Airbag für den Erwachsenen“, warnt Martin Sperber. Das Prinzip des „Babygurtes“ ist denkbar einfach: Er verfügt über eine Schlaufe, durch die der Sitzgurt der Eltern geführt wird und fixiert das Kind auf dem Schoß. Darin liegt aber auch die Gefahr: „Bei einem Unfall werden die Insassen an Bord mit voller Wucht nach vorne geschleudert – der typische Klappmessereffekt“, erläutert der TÜV Rheinland-Experte. Schwerste innere Verletzungen sind die Folge. Auch das haben die Crash-Versuche gezeigt.
Dass dieser „Babygurt“ kein geeignetes Kinderrückhaltesystem ist, hat TÜV Rheinland bereits 1994 festgestellt. Auch eine groß angelegte Studie der Kölner Sicherheitsexperten für das Bundesverkehrsministerium kam 1998 zu demselben Schluss und führte dazu, dass der Loop Belt ab 1998 in deutschen Maschinen verboten wurde. Ähnliche Untersuchungen wurden von der amerikanischen Luftfahrtbehörde durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass der Loop Belt in USA und Kanada bis heute verboten ist. In den meisten europäischen und internationalen Airlines jedoch kommt er weiter zum Einsatz.
„Wir empfehlen Eltern, die auf Nummer Sicher gehen wollen, auf Flugreisen besser einen Kinderautositz zu nutzen, der den TÜV Rheinland-Aufkleber ‚For use in aircraft‘ trägt“, sagt Martin Sperber. Schon beim Buchen sollten Eltern die Mitnahme eines Kindersitzes unbedingt anmelden und einen separaten Sitzplatz für ihr Kind reservieren lassen. Denn nur mit einem eigenen Sitzplatz ist ein Baby oder Kleinkind an Bord bei Turbulenzen oder einem Unfall genauso sicher geschützt wie ein Erwachsener.
Foto: Touristikpresse.net