Historische Bräuche und seltsame Spiele – Ostern und Pfingsten in Großbritannien


02 Apr 2006 [11:34h]     Bookmark and Share




Wer jetzt noch immer nicht an den Frühling glaubt, der merkt es spätestens, wenn der Osterhase vor der Tür steht. So wie bei uns, gibt es natürlich auch in Großbritannien zu Ostern und Pfingsten Prozessionen, Gottesdienste und auch Osterhasen mit bunten Eiern im Körbchen. Auf der Insel pflegt man jedoch noch Bräuche und Sitten, die dem Kontinental-Europäer zum Teil etwas fremd erscheinen mögen.

In Deutschland ist der Gruendonnerstag (Maundy Thursday), der Tag, an dem Jesus mit seinen Juengern das Abendmahl feierte, ein Tag wie jeder andere. Dies waere in GroSSbritannien wahrscheinlich nicht anders, gaebe es nicht die Maundy Thursday Zeremonie. Die heutige Maundy Thursday Zeremonie erinnert recht wenig an das Ritual, von dem es urspruenglich abstammte – Jesu FuSSwaschung seiner Juenger beim Abendmahl. Noch bis zum Jahr 1689 wusch der Monarch oder die Monarchin Englands in der Westminster Abbey den Armen der Stadt die FueSSe und verteilte Almosen. Heutzutage gibt die Queen das Maundy Money an eine Gruppe Pensionaere. Sie besucht jedes Jahr am Maundy Thursday eine der vielen Kathedralen des Landes. Dieses Jahr wird sie zusammen mit ihrem Ehemann den Gruendonnerstagsgottesdienst in dem suedwestlich von London gelegenen Guildford besuchen. Die Hoehe des Maundy Money sowie die Anzahl der Empfaenger richten sich immer nach dem Alter des Souveraens. Da die Queen dieses Jahr ihren achtzigsten Geburtstag feiert, wird sie an 80 Rentner und an 80 Rentnerinnen jeweils 80 Pence verschenken. Die Muenzen werden extra fuer die Zeremonie gepraegt und sind daher bei Sammlern aeuSSerst beliebt. 

Auch der britische Karfreitag, Good Friday genannt, hat seine eigenen Braeuche. So ist es seit Jahrhunderten Tradition, an diesem Tag „hot cross buns“ zu essen. Diese leicht sueSSen Broetchen erinnern etwas an Rosinenbroetchen, sind aber wuerziger. Das Kreuz auf dem Broetchen soll an die Kreuzigung Jesu erinnern. Traditionell frisch gebacken, werden sie noch warm zum Fruehstueck gegessen. Schon vor ueber 200 Jahren backte eine Witwe in London „hot cross buns“ fuer ihren einizgen Sohn, einen Seemann, der am Good Friday von einer langen Seereise zurueckkehren sollte. Leider war der Sohn nicht unter den Heimkehrern. Jeden darauf folgenden Good Friday legte die verzweifelte Mutter ein Broetchen fuer ihren Sohn zur Seite in der Hoffnung, dass er doch noch eines Tages heimkehrt. Auch nach dem Tode der Frau wurde die Tradition von den nachfolgenden Eigentuemern des Hauses fortgesetzt. Heute befindet sich in dem Haus ein Pub „The Widow’s Son“, an dessen Decke Netze voll mit „hot cross buns“ haengen. Jedes Jahr bringt am Karfreitag ein Seemann der Royal Navy ein weiteres Broetchen und Seefahrer aus ganz GroSSbritannien kommen in den Pub, um der Witwe ihren Respekt zu zollen. 

Am Ostermontag lohnt sich ein Besuch beim „Hare Pie Scramble“ und „Bottle Kicking“ in Hallaton, Leicestershire in Mittelengland. UEbersetzt heiSSt das soviel wie Balgen um die Hasenpastete und Flaschentreten. Der Tag beginnt mit einer Prozession durch die Ortschaften Hallaton und Medbourne. Sie wird von einem Gentleman in gruener Robe und einer Lady in altertuemlichem Outfit angefuehrt. Der Herr haelt eine Stange, an dessen Ende ein metallener Hase befestigt ist. Die Dame traegt einen Korb voller Broetchen. Ihnen folgen zwei Maedchen, die zwischen sich eine groSSe Hasenpastete tragen. Hinter den Maedchen gehen drei Maenner in FuSSballshirts, von denen jeder eine hoelzerne Bierflasche hochhaelt. Ihnen folgt eine Kapelle mit Dudelsack spielenden Kilttraegern. Diese etwas seltsam anzuschauende Parade zieht durch die Ortschaften, vorbei an der Kirche, wo die Pastete vom Pfarrer gesegnet wird, und findet ihr Ziel auf einem Huegel nahe der beiden Doerfer.

Da wird die Pastete in Stuecke gebrochen und in die Menschenmenge geworfen. Auch die Broetchen werden auf diese Art unter die Leute gebracht. Dann beginnt das „Bottle Kicking.“ Die erste Flasche wird dreimal in die Luft geworfen und dann geht’s los. Die Bewohner von Hallaton gegen die Einwohner des Nachbaroertchen Medbourne. Ziel ist es, die Flasche durch werfen, rollen oder treten ins eigene Dorf zu bringen. Hoert sich recht einfach an, ist aber ein groSSes Gerangel, bei dem die Beteiligten so einige Blessuren davontragen.

Hat eine Mannschaft das Ziel erreicht, wird das Prozedere mit den beiden anderen Flaschen wiederholt. Letztes Jahr hat Hallaton 2-1 gewonnen. Mal schauen, ob Medbourne dieses Jahr die Revanche gelingt.

Man koennte am Ostermontag aber auch einen Abstecher nach Gawthorpe in West Yorkshire machen und dem „World Coal Carrying Contest“, den Weltmeisterschaften im Kohlentragen, einen Besuch abstatten. Die Teilnehmer muessen moeglichst schnell 50 Kilogramm Kohlen eine Strecke von knapp 1,5 Kilometern den Berg hoch tragen. Interesse mitzumachen? Der momentane Weltrekord liegt bei 4 Minuten und 6 Sekunden.

Pfingsten nennt man auf der Insel Pentecost oder auch Whitsun, von White Sunday abstammend. In Gloucestershire ist das Wochenende allerdings aufgrund eines seltsamen Brauches auch als „Bread and Cheese Day“ bekannt. In St. Braivels werden nach der Abendandacht von einer Mauer nahe der alten Burg Koerbe voll mit Brot und Kaese heruntergeworfen, um die sich dann am FuSSe der Mauer die Einwohner des Ortes balgen. Schon seit Jahrhunderten wird dieser Brauch von den Einwohnern St. Briavels aufrechterhalten. Wahrscheinlich diente er urspruenglich als Bezahlung fuer das Recht, Baeume im nahen Wald faellen zu duerfen.

Ist man an Pfingsten in GroSSbritannien unterwegs, kann es durchaus vorkommen, dass man groSSe runde Kaese den Huegel runterrollen sieht, gefolgt von einer Horde von Menschen. Deren Ziel es ist, moeglichst noch vor dem Kaese am FuSSe des Huegels anzukommen. Der bekannteste „Cheese Rolling“ Wettkampf findet am Pfingstmontag, dem Spring Bank Holiday in Coopers Hill nahe Brockworth in Gloucestershire statt. Insgesamt starten vier Rennen, davon ein Damenrennen. Der Gewinner darf den 4 Kilogramm schweren Gloucester Kaese mit nach Hause nehmen. Das Spektakel ist weltweit bekannt und zieht Besucher und Teilnehmer aus der ganzen Welt an.
Das Pfingstwochenende markiert auch den Beginn der „Well Dressing“ Saison in Derbyshire. Unter Well Dressing versteht man das kunstvolle Verzieren von Brunnen mit Mosaiken. Ob die Tradition einen heidnischen Ursprung hat oder ob der Schmuck als Dankeschoen fuer sauberes Wasser waehrend der Zeit der Pest diente, ist unklar. GroSSe hoelzerne Rahmen umfassen die Mosaiken, die mit natuerlichen Materialien wie Bluetenblaettern, Moos, Baumrinde, Beeren, aber auch Bohnen und Samen gestaltet werden. Die Well Dressings sind wunderschoen und sehr arbeitsintensiv und doch halten sie leider nur einige Tage. 

Ostern und Pfingsten sind in GroSSbritannien also mehr als Ostereier und Weidenkaetzchen. Infos zu Kurzreisen bei VisitBritain unter www.visitbritain.com. Text: Kathrin Wagenmann







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