Staatsministerin Kühne-Hörmann präsentiert Edition von Briefen verkaufter hessischer Landeskinder: einzigartige und herausragende Geschichtsquellen
Wiesbaden / Kassel – Einen einmaligen Fund zur hessischen Landesgeschichte und zur Geschichte des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs hat Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann heute im Schloss Wilhelmshöhe präsentiert: 140 Briefe von verkauften Landeskindern, die in diesem Krieg gekämpft und ihre Erlebnisse in Schreiben an den hessischen Kriegsrat Georg Ernst von Gilsa (1740-1798) festgehalten haben. Darin schildern junge Offiziere ihre Eindrücke von Land und Leuten, offenbaren ihre Ängste und Nöte, berichten von Kriegsmüdigkeit und Selbstmorden, aber auch von Hochachtung vor dem Feind und wachsender Begeisterung für die Neue Welt. Eine solche Menge an unzensierten Privatbriefen war bisher unbekannt. Prof. Dr. Holger Gräf (Landesamt für geschichtliche Landeskunde), Prof. Dr. Christoph Kampmann und Lena Haunert (Universität Marburg) haben die Briefe mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ebenso editiert wie das Tagebuch des Georg Ernst von Gilsa.
„Die erfolgreiche Kooperation zwischen der Philipps-Universität, dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde, dem Staatsarchiv und der Historischen Kommission macht deutlich, was für einen bemerkenswerten Forschungsschwerpunkt wir in Marburg für unsere hessische Landesgeschichte haben“, hob Ministerin Kühne-Hörmann hervor und fügte hinzu: „Die Briefe liefern als ebenso einzigartige wie herausragende Geschichtsquellen eine Vielzahl von persönlichen, ungefilterten Ansichten, die in offiziellen Berichten und Korrespondenzen so nicht vorkommen. In Amerika wartet man bereits auf diese wissenschaftliche Auswertung und eine Übersetzung, denn solche historischen Quellen sind dort sehr gefragt.“
Im Januar 1776 schloss Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel mit seinem Schwager, König Georg III. von Großbritannien, so genannte Subsidienverträge. Danach verpflichtete sich der hessische Landesfürst, Großbritannien mietweise ein Kontingent Soldaten in einer Gesamttruppenstärke von etwa 12.000 Mann zu überlassen, das dann im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte. 2007 wurde im Archiv der Familie von
Gilsa eine Ledermappe mit den 140 rund 230 Jahre alten, teilweise von Mäusen und Papierwürmern angenagten „Briefen von meinen Freunden, besonders aus America“ entdeckt, die an den Kriegsrat Georg Ernst von Gilsa gerichtet waren. Die Nachrichten brauchten seinerzeit mit Schiffen und Postkutschen bis zu acht Monaten, bis sie ihren Empfänger erreichten.
In seinem Tagebuch, das die Jahre von 1754 bis 1798 umfasst, behandelt Georg Ernst von Gilsa unter anderem den Aufenthalt mit den hessischen Subsidientruppen in England 1756/57 und den Einsatz im Siebenjährigen Krieg. Neben der Teilnahme an den Landtagen findet der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) besonderen Niederschlag. Seine Aufenthalte in Kassel lassen ihn vom kulturellen Leben in der damaligen Residenz berichten.
Bibliografische Angaben:
Holger Th. Gräf, Lena Haunert und Christoph Kampmann (Hrsg.): Adliges Leben am Ausgang des Ancien Régime. Die Tagebuchaufzeichnungen (1754-1798) des Georg Ernst von und zu Gilsa (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 26), Marburg 2010. XXI und 578 Seiten, 16 Farb- und 19 SW-Abb.
Holger Th. Gräf, Lena Haunert und Christoph Kampmann (Hrsg.): Krieg in Amerika und Aufklärung in Hessen. Die Privatbriefe (1772-1784) an Georg Ernst von und zu Gilsa (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 27), Marburg 2010. XXVII und 488 Seiten, 17 Farb-, 12 SW-Abb.