Personalvertretung von Lufthansa fordert Schutzmasken für Crew-Mitglieder.
Mainz – Als Schutz vor giftigen Öl-Dämpfen in Flugzeugkabinen fordern Personalvertreter der Lufthansa, dass alle Crewmitglieder mit speziellen Atemschutzmasken ausgestattet werden. Das geht aus einem aktuellen Rundbrief der Personalvertretung hervor, der dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ vorliegt. Hintergrund sind die „Fume Events“.
Dabei können giftige Stoffe aus den Triebwerken in die Kabine gelangen. In dem Schreiben der Arbeitnehmervertreter heißt es, „für uns ist klar, dass wir ein Problem mit Triebwerksölen in der Klimaanlage haben können.“ Daher stelle eine „Atemschutzmaske immer noch eine bessere Lösung dar, als überhaupt keine Möglichkeit für den Eigenschutz zu haben.“
Bei fast allen aktuellen Passagierflugzeugen wird die Luft für die Klimaanlage aus den Triebwerken abgezapft. Dort kommen hochtoxische Öle zum Einsatz. Diese können unter bestimmten Umständen verdampfen und dann in die Kabine gelangen, da die Frischluft in Flugzeugen meist über die Triebwerksturbinen in die Passagierkabine gelangt – ein sogenanntes „Fume Event“. Davon können Piloten, Flugbeleiter und Passagiere betroffen sein. Allerdings befinden sich nur im Cockpit Sauerstoffmasken, die für die Piloten sicherheitshalber mitgeführt werden.
Eine Umfrage unter Bordpersonal zeigt: Es gibt viele Betroffene. „Report Mainz“ hat eine nicht repräsentative Umfrage mit Unterstützung von Luftfahrt-Gewerkschaften durchgeführt. Daran haben sich mehr als 750 Airline-Angestellte beteiligt.
Die Auswertung ergab: Rund 75 Prozent aller Teilnehmer haben schon „Fume Events“ erlebt. Mehr als 400 der Teilnehmer beschreiben teilweise sehr schwerwiegende Folgen: Von Sprachfindungsstörungen, Gedächtnisverlust, Lähmungen der Extremitäten bis hin zu Lungenschäden oder der Flugunfähigkeit und folgendem Jobverlust.
Luftverkehrsexperten bestätigen was seit Jahren bekannt und von den Airlines oft unter den Teppich gekehrt wird: Das Belüftungssystem ist eine Fehlkonstruktion.
Rechtliche Vorgaben werden ignoriert
Laut Zulassungsvorschrift der Flugbehörden muss die Kabinenluft „frei von schädlichen Schadstoffkonzentrationen“ sein. Das werde durch die heutige Konstruktion der Flugzeugbelüftung nicht eingehalten, kritisiert der Luftfahrtexperte und Ingenieur Professor Dieter Scholz von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg im Interview mit „Report Mainz“: „Wenn das Öl in die heiße Verdichterluft kommt, dann pyrolysiert oder verbrennt es. Dabei entstehen hunderte von giftigen Stoffen. Menschen werden krank, Passagiere wie Besatzung.“
Der Luftfahrtexperte der Grünen Markus Tressel fordert: Es muss jetzt endlich gehandelt werden Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen warnt seit Jahren vor giftiger Kabinenluft. Es gebe Lösungsvorschläge, die von der Luftfahrtindustrie ignoriert würden. So könnten Filter in Flugzeuge eingebaut werden, die die Luft reinigen, bevor sie in die Kabine gepumpt wird. Das sei heute nicht der Fall. Anschaffung und Einbau von Filtern kostet Geld und Gewicht. Und damit auch wieder Geld. Ebenso könnte man Sensoren einbauen, die an Bord warnen, wenn giftige Substanzen in der Luft sind, um die Belüftungszufuhr aus den Triebwerken zu stoppen. Grundsätzlich müsste die Flugzeug-Belüftung aber anders konstruiert werden – ohne „Zapfluft“ aus den Triebwerken. Daran führe kein Weg vorbei.
Auf Anfrage von „Report Mainz“ ging die Lufthansa als Betreiber von über 700 Flugzeugen nicht darauf ein, ob sie Schutzmasken zur Prävention von gesundheitlichen Folgen von „Fume Events“ für das Bordpersonal einsetzen will. Auch diese Kosten dürften nicht im Sinne von Airlinechef Carsten Spohr sein, der mittlerweile auch firmenintern für seine extreme Ausrichtung auf Profit und immer wieder aufkeimende Konflikte mit Teilen der Belegschaft kritisiert wird.
Nach Angaben der Airline sei die Luft in Flugzeugen „unbedenklich und teilweise sogar besser als in Büros.“ Es seien aber weitere Studien zu dem Thema geplant.
Die Reaktion zeigt, dass der Luftfahrtkonzern, dazu gehören neben Lufthansa auch Eurowings, Germanwings, Air Dolomiti, Brussels Airlines, Swiss, Edelweiss-Air, Lufthansa-Regional und Austrian Airlines, erkannt hat, dass Handlungsbedarf besteht. Ähnlich lautende Antworten gibt der Konzern allerdings auch schon seit Jahren auf wiederkehrende Anfragen zum Thema. Auch die Referenz zur Luft in „Büros“ lässt aufhorchen. Gemeint sein könnten Büros mit offenen Fenstern an der Startbahn eines Großflughafens oder solche im Smog einer chinesischen Großstadt. Der Vergleich soll offenbar gezielt konkrete Qualitätsvergleiche von Raumluft verwässern indem konkrete Mess- oder Qualitätswerte nicht benannt werden. Dies dürfte nicht ohne Grund geschehen.
Statistisch gesehen geschehen täglich in Deutschland durchschnittlich zwei „Fume Events“ bei denen laut Fachleuten jeweils hunderte Giftstoffe in die Kabinenluft abgegeben werden, die teils monatelange Arbeitsunfähigkeit und körperliche und geistige Schäden verursachen können. Passagiere sind diesen Problemen grenzenlos ausgesetzt und wissen oft nicht von dem unausweichlichen Risiko einer Flugreise.