Fluggesellschaften nutzen Verbraucher weiterhin über viele Monate massiv aus. Ticketpreise werden gar nicht, oder sehr verzögert zurückgezahlt. Gesetzlich vorgeschrieben wären sieben Tage. Vertröstung mit netten Worten oder auch garkeine Reaktion auf Kundenanfragen sind an der Tagesordnung.
Wien/ Palma – Ein europäisches Portal für Fluggastrechte mit Sitz in Wien hat untersucht, welche Fluglinien Verbraucher weiterhin als unfreiwillige Kreditgeber missbrauchen, und bei welchen Fluglinien Reisende die Hoffnung haben dürfen, ihr Geld bald wiederzusehen.
72.000 Anfragen und mehr als 39 Millionen Euro Gesamtvolumen
Bis Ende September 2020 sind mehr als 72.000 Anfragen über das auf Flug- und Pauschalreise-Stornierungen spezialisierten Portal Fairplane eingegangen. Das Gesamtvolumen der Anfragen zu Ticketrückerstattungen beläuft sich nun auf knapp 39 Millionen Euro. Die Zahl der auf ähnlichen der zahlreichen Flugrechts-Portalen eingeganenen Anfragen ist dabei noch garnicht erfasst.
Von diesen 72.000 Anfragen hat Fairplane 26.000 aktive Aufträge aus den Monaten August und September auf die Rückerstattungsbereitschaft der jeweiligen Airline untersucht. Das Gros der aktiven Aufträge fällt hierbei auf die Lufthansa Group und Ryanair. Neben der Lowcost-Airline Easyjet sieht so mancher deutscher Anbieter alt aus. Zwar konnten sich die Lufthansa, Condor und vor allem Eurowings im Mittelfeld positionieren, weitere deutsche Anbieter wie Tuifly schneiden dennoch auch im Spätsommer auffallend schlecht ab. Besonders bemerkenswert: Sowohl Tuifly als Tochter der großen TUI und die Lufthansa-Gruppe gehörten zu den ersten, die besonders große Darlehen vom Steuerzahler aufgrund der Corona-Folgen erhalten haben. Dankbarkeit oder zumindest Respekt gegenüber den Kunden für diese Hilfestellung wird durch die verschleppende Zahlungsmoral gerade nicht erkennbar.
Easyjet mit bester Zahlungsmoral, deutsche Airlines nur im Mittelfeld
Wie bereits in den Monaten zuvor liegt die Rückzahlungsquote der britischen EasyJet derzeit bei 96 Prozent.
Austrian, der österreichische Airline-Ableger des Lufthansa-Konzerns hält im Ranking Platz zwei – die Fluglinie zahlt inzwischen 62 Prozent der Forderungen zurück und steigerte ihre Quote damit um vier Prozent im Vergleich zu Juni und Juli.
Eurowings, der Lufthansa-Lowcoster zahlt immer noch weniger als die Hälfte der Forderungen zurück. Lag die Rückzahlungsquote beim letzten Ranking noch bei traurigen vier Prozent, sind es nun auch noch schlappe 46 Prozent.
Auch Condor, die aus der Thomas-Cook-Pleite gerade noch gerettete deutsche Airline verbessert sich: Das Unternehmen steigert seine Rückzahlungsquote von sieben auf jetzt auch nur 39 Prozent.
Die Lufthansa verbessert sich zwar um 13 Prozent auf 32 Prozent, aus dem Mittelfeld kommt sie dabei aber trotz des gigantischen Rettungspakets nicht heraus.
Iberia, die aus dem besonders leidenden Corona-Land Spanien stammende Airline hat erst ein Prozent Rückzahlungen geleistet und belegt damit den letzten Platz im Ranking. Den vorletzten Platz teilen sich der ungarische Lowcoster Wizz Air und Air France, ebenfalls massiv durch den französischen Staat gestützte Airline mit jeweils mageren zwei Prozent.
Tuifly kann im aktuellen Ranking nur eine skandalöse Rückzahlungsquote von drei Prozent vorweisen. Die Tochtergesellschaft des Touristikkonzerns bildet damit das Schlusslicht unter den deutschen Airlines. Auch die portugiesische TAP kommt über eine Quote von fünf Prozent nicht hinaus.
Fairplane-Gründer und -Geschäftsführer Andreas Sernetz beurteilt das Ranking wie folgt: „Insgesamt wird bei den Luftfahrtunternehmen immer noch mit angezogener Handbremse gearbeitet, um die eigene Liquidität zu schützen. Die Aussichten auf steigende Infektionszahlen und damit einhergehende Massenstornierungen im Herbst und Winter machen zudem wenig Hoffnung auf eine bessere Zahlungsmoral. Solange die Politik dem nicht endlich den Riegel vorschiebt, werden Fluggesellschaften weiter auf dem Rücken der Verbraucher ihre Finanzen aufpolstern.“
Verbraucher sollten sich die Zahlen des Ranking gut einprägen, ist es doch auch eine Charakteraussage des Managements der Unternehmen. Wer seine Kunden auf diese Weise an der Nase herumführt oder sie gar skrupellos ausbeutet und nervt könnte auch bei anderen Themen zu weniger Verlässlichkeit und fehlender Rechtstreue neigen. Samtweiche Worte und Beteuerungen, die dem wirklichen Verhalten entgegen stehen sollten dann auch nicht erstaunen und besser dreimal hinterfragt werden. Klar ist jedenfalls, dass der Kunde bei vielen Airlines schon längst nicht mehr „König“ ist.