Die UNESCO definiert das immaterielle Kulturerbe als „Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fähigkeiten – sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und Kulturräume […], die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.“
Spanien – In diesem Jahr wurden in Spanien gleich fünf kulturelle Ausdrucksformen als immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO ausgezeichnet. Dazu gehören der Flamenco, die für Katalonien typischen Menschenpyramiden „Castells“, der Sibilla-Gesang auf Mallorca, die Falknerei und die Mittelmeerdiät.
Flamenco
Der Flamenco ist eine spanische Musik- und Tanzgattung, die viele Persönlichkeiten auf der ganzen Welt verzaubert und großen internationalen Musikern und Stars als Inspirationsquelle dient. Bei dem unvergleichlichen Schauspiel vermischen sich der eindringliche Gesang, die begleitenden Akkorde der Gitarre, das Stampfen der Füße, das Händeklatschen und die Tänze großer, oftmals anonymer Künstler. Es handelt sich nicht um eine homogene Kunst, sondern es existieren viele Varianten („Palos“) wie etwa die Tarantos, die Bulerías, die Alegrías und die Soleares.
Der Ursprung des Flamencos, der nur mündlich überliefert wurde, geht auf die griechisch-römische Antike zurück. So erwähnen die römischen Autoren Juvenal und Martial die „Puellae gaditanae“, Tänzerinnen aus Cádiz, die viel Erfolg bei den Festen des römischen Bürgertums hatten. Es sind Reliefs erhalten, auf denen die Tänzerinnen mit Kastagnetten in Positionen erscheinen, die mit denen des modernen Flamencos identisch sind. Manche Musikwissenschaftler erkennen in den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Flamencos den Einfluss türkisch-balkanischer sephardischer Juden. Unbestritten ist die Bedeutung der arabischen Kultur für Flamencorichtungen wie die „Granaina“ und „Zambra“, womit auf Arabisch ursprünglich das Zusammenspiel andalusischer Musiker bezeichnet wurde. Natürlich hatten auch die Zigeuner, ein Volk das aus dem indischen Punjab stammte, Einfluss auf Tanz und Musik. Somit vereinigt der Flamenco den musikalischen Einfluss von verschiedenen Völkern in sich, die in Andalusien heimisch waren. Geographisch gesehen ist der Flamenco auf Andalusien, die Extremadura und Teile der Region Murcia beschränkt.
Der Flamenco befand sich von jeher im Zustand der Weiterentwicklung. Seine heutige Form geht auf die Zeit zwischen 1765 und 1860 und die Schulen von Cadiz, Jerez de la Frontera und Triana zurück.
Im sogenannten „Goldenen Zeitalter des Flamenco“ zwischen 1860 und 1910, einer der kreativsten Phasen für die Flamencoentwicklung, entstanden die Musik-Cafés. Es etablierte sich der klassischen Flamenco-Gesang, der Cante Jondo. Der Tanz spielte bei den Aufführungen eine größere Rolle und die Gitarre trat verstärkt in den Vordergrund.
Als Opera Flamenco wird der Flamenco in der Zeit zwischen 1910-1955 bezeichnet, da Musiker, Sänger und Tänzer vermehrt in Stierkampfarenen und Theatern auftraten. Der musikalische Einfluss von Einwanderern aus Lateinamerika nahm zu. Die Epoche wurde von leichteren Formen wie dem Fandango und den sogenannten „idas y vueltas“ geprägt, eine Tendenz, die nicht überall Anklang fand. 1922 riefen Manuel de Falla und Federico García Lorca das „Festival del Cante Jondo“ in Granada ins Leben, das auf der einen Seite die ursprüngliche Reinheit des Flamencos anstrebte, auf der anderen Seite der Gattung enormen Auftrieb gab.
Mit Antonio Mairena, der die Verbreitung des orthodoxen Gesangs förderte, setzte 1955 die Renaissance des Flamencos in seiner strengen Auslegung ein. In den 70er Jahren begann das Phänomen der Fusion mit anderen Genres, wie dem Jazz und arabischer, brasilianischer oder kubanischer Musik. In den 80ern dominierten Künstler wie Camarón, Paco de Lucia und Enrique Morente den Flamenco. Derzeit sind Musikstile en vogue, die nur noch den Flamencorhythmus beibehalten haben. Auch lässt sich eine Rückkehr zum klassischen Flamenco beobachten, der von Künstlern wie José Mercé, El Cigala, Miguel Poveda, Mayte Martín und Estrella Morente interpretiert wird.
Die Castells
„Castells“ ist das katalanische Wort für Burgen. „Castellers“ sind die Menschen, die auf Festen und Festivals in vielen Teilen Kataloniens menschliche Türme oder Burgen errichten. Die Tradition der Menschenturmbauer reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück, wo sie erstmals in Valls in der Provinz Tarragona auftauchten. Die „colles“, wie die Teams genannt werden, aus denen die Menschentürme bestehen, begannen miteinander zu rivalisieren, um zu sehen, wer das mutigste war und den besten Turm zustande brachte. Die Basis, quasi das Untergeschoss jedes „Castells“, ist die sogenannte „Pinya“. Der unterste Menschenring trägt die Hauptlast und dient auch als Puffer, falls der Turm umstürzt. Mit akrobatischer Wendigkeit klettern jeweils zwei Kinder, die Enxaneta und der Acotxador, auf der Spitze des Turms. Das ganze Jahr über trainieren die Castellers in Turnhallen und auf öffentlichen Plätzen, um ihre turnerische Fertigkeiten zu vervollkommnen und Säulen zu errichten, die bis zu zehn Etagen hoch sein können.
Der Sibyllengesang
Der Gesang der Sibylle oder „El Canto de la Sibil.la“, wie er auf Katalanisch heißt, ist ein liturgisches Drama und ein gregorianischer Gesang, der auf Mallorca seit der Eroberung der Insel durch Jaime I. im dreizehnten Jahrhundert verwurzelt ist. Das traditionelle Gesangsstück, das auf mallorquinisch gesungen wird, erklingt nur einmal im Jahr, vor der Mitternachtsmesse am Heiligen Abend. Bis heute symbolisiert es den Beginn des Weihnachtsfestes für die Menschen auf Mallorca.
Der düstere, prophetische Text handelt vom Ende der Welt, der Wiederkunft Jesus auf Erden und vom jüngsten Gericht. Der Name des prophetischen Gesanges geht auf die sibyllinischen Orakel aus der griechischen und römischen Mythologie zurück. Im Besonderen auf die Legende der Sibylle von Tibur zu Zeiten des Kaisers Augustus, die dem römischen Kaiser die Geburt Jesu und damit eines neuen Gottes geweissagt haben soll.
Zum ersten Mal ist der Canto de la Sibila im 10. Jahrhundert in einer lateinischen Handschrift aus dem Kloster Saint Marcial in Limoges belegt. Danach wurde er an verschiedenen Orten Europas in Katalonien, Italien, Kastilien und Frankreich zelebriert. Zunächst wurde er in lateinischer Sprache vorgetragen; im 13. Jahrhundert tauchten die ersten katalanischen Versionen auf. Der heutige Text stammt aus einem Gedichtband des Mönches Anselm Turmeda aus dem 14. Jahrhundert. Wahrscheinlich bis ins 16. oder 17. Jahrhundert wurde die Sibila auch auf Mallorca in Form eines gregorianischen Chorals gesungen. Das starke Interesse an dem Choral führte dann insbesondere im 19. Jahrhundert zu verschiedenen Transkriptionen der Partitur und den unterschiedlichen melodischen Versionen, die sich bis heute bewahrt haben.
Der Gesang der Sybille hat sich bis heute nur auf Mallorca und in Alghero auf Sardinien erhalten. Normalerweise wird die Sibylle von einem Knaben dargestellt, selten von einem Mädchen oder einer Frau. Er ist in eine weiße oder – je nach Ort – farbige Tunika gekleidet. Als Symbol für das letzte Gericht trägt er ein Schwert vor sich her. Auf dem Weg in den Altarraum wird er von zwei oder mehreren Jungen mit brennenden Kerzen geleitet. Mit glockenreiner, heller Stimme trägt er ohne Instrumentalbegleitung allein den Choral vor. Die Melodie aus längst vergangenen Zeiten fasziniert durch den außergewöhnlichen, melismatischen Gesang mit lang gezogenen Tönen, der fremd und unwirklich klingt. Lediglich zwischen den einzelnen Strophen ertönt die Orgel. Solange der Junge singt, hält er das Schwert vor sein Gesicht, mit dem er am Ende des Gesangs ein Kreuz in die Luft zeichnet.
Zu den schönsten und beeindruckendsten Christmetten gehören auf Mallorca die Gottesdienste in der prachtvollen Kathedrale von Palma und in der Klosterkirche von Lluc. Das Kloster Lluc ist das spirituelle Zentrum der Insel. Es liegt eingebettet in einem Tal im westlichen Teil Mallorcas, umgeben von der majestätischen Kulisse des Tramuntana-Gebirges. Hier verehren die Inselbewohner die „Moreneta“, die Schwarze Madonna. Der Gesang der Sibylle ertönt dort in der Heiligen Nacht aus der Kehle eines Mitgliedes des berühmten Knabenchors des Klosters, der „Blavets“. Dieser Weihnachtsbrauch, der im Mittelalter in ganz Katalonien und Spanien, unter anderem in Toledo und Sevilla, weit verbreitet war, ist nach seinem Verbot durch das Konzil von Trient am Ende des 16. Jahrhunderts aus der christlichen Welt verschwunden.
Die Falknerei
Die Falknerei wurde neben Spanien in zehn weiteren Staaten, unter anderem in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko, der Mongolei, Katar und Syrien, als immaterielles Kulturerbe anerkannt.
Unter Falknerei oder Beizjagd versteht man die Kunst, Greifvögel zu züchten, zähmen, abzutragen und zu heilen. Sie ist eine ökologische Jagdart, die auf Waffen verzichtet und die Natur respektiert. Allein Geduld und Wissen, das über Jahrhunderte hinweg tradiert wurde, sind für die erfolgreiche Beizjagd von Nöten. Sie ist selektiv, lautlos und rückstandsfrei und lässt niemals krankes oder verletztes Wild zurück. Deshalb wird sie häufig an Orten ausgeübt, an denen die Jagd normalerweise ruht, wie zum Beispiel auf Friedhöfen, in städtischen Parkanlagen oder auf Flugplätzen.
Eine denkwürdige Anekdote der Falknerei bezieht sich auf den Malteser Falken, den Kaiser Karl V. im Jahr 1530 als jährliches Tribut für die Abtretung der Insel Malta an den Ritterorden vom Heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und Malta‘, kurz Malteser-Orden, forderte. Jedes Jahr am 1. November erhielt der spanische Herrscher einen Malteser Falken, bis zum Jahr 1798, als Napoleon die Ritter auswies.
Vor fünf Jahren, im Jahr 2005 griff der Malteser Orden die alte Tradition wieder auf und übergab einen Malteser Falken an König Juan Carlos.
Die Mittelmeerdiät
Die Mittelmeer-Diät, die vor kardiovaskulären Erkrankungen und bestimmten Krebsarten schützen soll, ist eine Ernährungsform, die die Anrainerstaaten des Mittelmeers seit langem befolgen, da sie die meisten Lebensmittel, aus denen sie besteht, selbst produzieren. An ihrer Entstehung haben Phönizier, Griechen, Römer, Kelten, Vandalen, Sueben, Byzantiner und Araber Anteil. Die Mittelmeertrilogie von Brot, Öl und Wein geht auf die Phönizier, Griechen und Römer zurück. Artischocken, Zucchini, Reis und Teigwaren sind den Arabern zu verdanken. Die Entdeckung Amerikas brachte die Einfuhr völlig unbekannter Lebensmittel, wie Kartoffeln, Paprika oder Tomaten mit sich.
Es gibt jedoch keine alleinige Mittelmeerdiät, sondern genau so viele Arten, wie es Anrainer gibt. Jedes Land hat seine kulinarischen Besonderheiten, dennoch sind eine Reihe gemeinsamer Merkmale zu verzeichnen:
Das Olivenöl dient als Energiequelle. Die Lebensmittel haben einen hohen Gehalt an Ballaststoffen wie Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst. Teigwaren und Reis werden mehrmals in der Woche, rotes Fleisch hingegen nur in geringen Mengen gegessen. Die Zubereitung der Speisen ist in der Regel einfach. Sie werden gegrillt, roh oder gekocht verzehrt. Ihren Geschmack erhalten sie durch die Verwendung von Knoblauch, Zwiebeln, Kräutern, Essig oder Zitronen. Und der moderate Genuss von Wein ist erlaubt. Wer die Mittelmeerdiät mit viel Sport und Bewegung kombiniert, dem ist ein langes Leben garantiert.
Der Preis ist mit Italien, Griechenland und Marokko geteilt.
Sternenregen für spanische Restaurants
Juan Mari Arzak, Santi Santamaría, Ferrán Adría, Martín Berasategui, Carme Ruscalleda, Pedro Subijana und Joan Roca sind die Sterneköche, die zum wiederholten Mal mit gleich drei der begehrten Michelinsterne ausgezeichnet wurden. Starkoch Andoni Luis Aduriz mit seinem Restaurant „Renteria“ aus Mugaritz im Baskenland muss sich ein weiteres Jahr gedulden, um die ersehnte Auszeichnung zu erhalten.
In diesem Jahr führt Katalonien vor dem Baskenland die Liste der Restaurants an, die im neuen Michelin-Führer Spanien-Portugal 2010 preisgekrönt wurden. Katalonien kann sich insgesamt über die Prämierung von vier 3*-Restaurants, zwei 2*-Restaurants, vor allem aber über mehr als vierzig 1*-Restaurants freuen, von denen es in ganz Spanien 120 gibt.
Konnte sich in den gastronomischen Höhen der 3*-Restaurants kein neuer Aufsteiger durchsetzen, wurden jedoch gleich vier neue 2*-Restaurants in den edlen Kreis der Sternenträger aufgenommen. Zu den Gewinnern zählen Paco Pérez, Koch des „Miramar“ in Llançà (Prov. Girona), Eneko Atxa von Restaurant „Azurmendi“ in Larrabetzu (Prov. Vizcaya), Ramon Freixa, Koch des gleichnamigen Madrider Restaurants und Dani García vom Restaurant Calima in Marbella (Prov. Malaga).
Siebzehn Restaurants können sich zum ersten Mal im Glanz eines Sterns sonnen. Dazu gehören die Restaurants „Caelis“, „Dos Cielos“, „Hisop“ und „Moments“ in Barcelona; das „Capritx“ in Terrassa, „Ferrero“ in Bocairent (Prov. Valencia), die mallorquinischen Restaurants „Gadus“ in Cala d‘Or und „Zaranda“ in Llucmajor so wie die galicischen Restaurants „Alborada“ in A Coruña, und „Maruja Limón“ in Vigo. Auch die Restaurants „Venta Moncalvillo” in Daroca de Rioja. das „Mirador de Ulia” in San Sebastian, „Kabuki“ in Madrid, „Aponiente“ in Puerto de Santa Maria, „Santo“ in Sevilla, „Arrop“ in Valencia und last but not least das „Ikea“ in Vitoria wurden mit je einem Stern bedacht.
Überraschenderweise fand das Restaurant „Etxabarri“ in Atxondo, das in der Top Ten Liste der besten Restaurants der Welt geführt wird, keine Aufnahme in die neue Ausgabe des Guide Michelin.
Foto: Carstino Delmonte