Regierungsentwurf mit zahlreichen vermeidbaren Mängeln – Fahrgäste aus dem ländlichen Raum besonders benachteiligt
Hamburg – Anlässlich der bevorstehenden Beratung im Bundesrat über das von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzes über die Fahrgastrechte fordert der Fahrgastverband PRO Bahn eine sorgfältige Nachbesserung.
„Der Gesetzentwurf enthält so zahlreiche handwerkliche Mängel, dass wir uns wundern, wie ein solcher Entwurf ein Ministerium überhaupt verlassen und das Bundeskabinett passieren kann,“ erklärt der Rechtsexperte des Verbraucherverbandes Rainer Engel. „Die gröbste Fehlleistung ist die Gleichsetzung von Fahrgästen, die ihre Rechte wahrnehmen wollen, mit Fahrgästen mit ansteckenden Krankheiten in ein und demselben Paragrafen: beide sollen als Sicherheitsrisiko von der Mitfahrt ausgeschlossen werden dürfen.“
Der Fahrgastverband hat die zahlreichen Mängel aufgelistet und dem Bundesrat zugeleitet, der in Kürze über den Gesetzentwurf beraten wird. „Wir erwarten von den Bundesländern, die für den Nahverkehr auf der Schiene zuständig sind, dass sie die Kritik ernst nehmen. Besonders betroffen von den Mängeln sind Fahrgäste mit Zielen im ländlichen Raum,“ erklärt Engel. „Sie sollen bei Verspätungen auch künftig keine Rechte haben, wenn ihr letzter Zug vor 20 Uhr am Ziel eintrifft oder wenn sie auf einen Busanschluss angewiesen sind. Auf menschenleeren Kleinstadtbahnhöfen sollen Fahrgäste stundenlang noch bis Mitternacht warten müssen. wenn dann noch ein Diskothekenbus fährt,“ erläutert Engel den Gesetzentwurf. „Anscheinend kann man sich in der Bundeshauptstadt nicht vorstellen, mit welchen Problemen Reisende schon hundert Kilometer von Berlin entfernt zu kämpfen haben.“ Auch sollen Verkehrsunternehmen dem gestrandeten Fahrgast lediglich 50 Euro für die Taxifahrt zum Ziel zur Verfügung stellen.
„Für 50 Euro kann man weder übernachten noch ein Ziel erreichen, das mehr als 30 Kilometer vom Umsteigebahnhof entfernt ist, an dem der Fahrgast hängen geblieben ist. Der Betrag ist zu niedrig, wir fordern eine Heraufsetzung auf 100 Euro.“
Weiter hat der Fahrgastverband zahlreiche Unklarheiten und mangelhafte Informationspflichten gegenüber den Reisenden festgestellt. „Wenn ein Fahrschein von der Gewährleistung ausgeschlossen wird, dann erfährt der Fahrgast das erst, wenn er seine Rechte geltend machen will. Solche Einschränkungen müssen auf dem Fahrschein aufgedruckt werden,“ fordert der Fahrgastverband.
Der Fahrgastverband PRO Bahn steht dem vorliegenden Gesetzentwurf ohnehin kritisch gegenüber, weil die Bundesregierung Reisenden im Fernverkehr lediglich Rechte nach dem europäischen Mindeststandard zubilligen will. „Wir begrüßen, dass Fahrgäste von Regionalzügen gegenüber dem EU-Standard besser gestellt werden sollen, aber der Gesetzentwurf dazu ist sprachlich und inhaltlich gründlich misslungen,“ fasst Engel zusammen.
Der Fahrgastverband PRO Bahn kämpft seit 1996 um Rechte für Fahrgäste. Die bis heute geltende Regelung datiert aus dem Jahre 1938 und schließt praktisch alle Rechte aus. „Die Europäische Union hat Deutschland unter Druck gesetzt, bis Anfang Dezember 2009 muss das neue Gesetz in Kraft sein,“ erläutert Engel. „Ohne Europa würde die Bundesregierung weiter ihren Kurs beibehalten, die Deutsche Bahn vor Verbraucherrechten zu schützen und deren Vorstände zu bereichern,“ erklärt Engel. „Der prominenteste politische Kämpfer für bessere Fahrgastrechte, Verbraucherschutzminister Seehofer, ist jetzt nach München gegangen – wir warten auf Nachfolger, die die Nöte der Verbraucher ernst nehmen.“
Die Stellungnahme ist unter fahrgast-rechte.de erreichbar.