Das EU-Parlament in Straßburg hat eine Verordnung gebilligt, die es sowohl Billigfliegern, als auch den traditionellen Flag-Carriern vorschreibt, Flugpreise unter Angabe von Steuern, Flughafengebühren, Sicherheitsgebühren und Kerosinzuschlägen transparent gegenüber Verbrauchern und Fluggästen in der
Werbung anzugeben
von Jan Bartholl (Rechtsanwalt fuer Reise- und Luftverkehrsrecht)
Muenster – Jeder Flug nach Paris fuer nur 1 Euro! Flug ab 0,99 EUR nach London! Top-Angebot: Flug jetzt fuer 1 Cent nach Mallorca! Angebote aus dem Vielfliegerparadies mit Preisen, zu schoen, um wahr zu sein. Viele Fluggesellschaften versuchten in der Vergangenheit mit aehnlichen Lockvogelangeboten die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu wecken. Die Europaeische Kommission, Verbraucherverbaende und die Gerichte erhielten zunehmend Beschwerden von veraergerten Fluggaesten und Reisenden, die auf diese Angebote reagierten und am Ende des Buchungsvorgangs ploetzlich einen Gesamtpreis in vielfacher Hoehe des beworbenen Angebotes zahlen sollten. Aus einem 99-Cent-Flug wurde nach wenigen Buchungsschritten durch aberwitzige Zusatz”leistungen” und In-Rechnung-Stellung von Selbstverstaendlichkeiten ein Flugpreis jenseits von 100 Euro. Einige Billigfluglinien hatten diese Branchenpraxis in den vergangenen Jahren perfektioniert.
Das EU-Parlament in StraSSburg billigte im Juli 2008 im Mitentscheidungsverfahren die Verordnung Nr. 1008/08 ueber gemeinsame Vorschriften fuer die Durchfuehrung von Luftverkehrsdiensten. Die sich durch die drei Ratsverordnungen Nr. 2407/92, 2408/92 und 2409/92 ergebenden Rechtsveraenderungen in der Gemeinschaft werden als sog. „drittes Luftverkehrspaket“ bezeichnet. Das dritte Luftverkehrspaket zielt
darauf ab, gleiche Ausgangsbedingungen fuer die Flugzeugmiete zu schaffen, die administrative Verantwortlichkeit fuer die Entziehung von Lizenzen zu klaeren, die angemessene Anwendung des Arbeitsrechts fuer das Personal und die Durchfuehrung strengerer Kontrollen der finanziellen Situation von Fluggesellschaften sicherzustellen und vor allem die Rechte der Fluggaeste zu wahren. Mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten hat das dritte Paket zwar zu einer Expansion des Luftverkehrs in Europa gefuehrt und alte Monopole beseitigt. Trotzdem verfaelschen immer noch ungleiche Wettbewerbsbedingungen und eine fuer Verbraucher nachteilige Branchenpraxis bezueglich der Preistransparenz die Flugbranche. Daher wurde das
dritte Luftverkehrspaket nun erneuert.
In Deutschland gilt bereits seit 1985 die Preisangabenverordnung, nach der Unternehmer verpflichtet sind, in der Werbung gegenueber Verbrauchern Endpreise anzugeben. Da Flugpreise jedoch regelmaeSSig variable Preisbestandteile aufweisen, war die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises von Flugbefoerderungsleistungen auch in Deutschland haeufiger Streitpunkt. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ist bei der Werbung fuer Fluege der Endpreis unter Einschluss aller Preisbestandteile anzugeben. Daher aendert sich mit Inkrafttreten der Verordnung in Deutschland wenig.
In der Presse war durchweg von einer Richtlinie zu Transparenzvorschriften fuer Flugpreise die Rede. Es mag eine juristische Spitzfindigkeit sein, jedoch basieren die Rechtsvorschriften auf einer Verordnung und nicht auf einer Richtlinie. Eine EU-Verordnung entspricht einem europaeischen Gesetz, dessen Vorschriften in
allen europaeischen Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich sind und keiner Umsetzung in nationales Recht beduerfen. Eine Richtlinie dagegen muss nach ihrem In-Krafttreten vom Gesetzgeber jedes einzelnen Mitgliedstaates in nationales Recht umgesetzt werden. Auf die gesetzlichen Vorschriften der nun erlassenen
EU-Verordnung koennen sich Verbraucher daher direkt berufen.
Ziel der Verordnung ist es, die weit verbreitete Branchenpraxis der Airlines zu unterbinden, Flugpreise ohne Angabe von Steuern, Gebuehren oder Kraftstoffzuschlaegen oeffentlichkeitswirksam zu bewerben. Die neue Richtlinie soll mehr Klarheit in den Preisdschungel der Lockangebote der Fluggesellschaften bringen. Nach den Gesetzesvorschriften der Verordnung duerfen Zusatzkosten und Gebuehren nicht mehr verschleiert und versteckt werden. Damit will der europaeische Gesetzgeber sicherstellen, dass Verbraucher nicht irregefuehrt werden und Flugpreise ueber Laendergrenzen hinweg besser verglichen werden koennen.
Zudem verbietet die Verordnung unterschiedliche Flugpreise fuer ein und denselben Sitzplatz auf ein und demselben Flug, gebucht zum selben Zeitpunkt, wenn die Preisdifferenz vom Wohnort oder von der Staatsangehoerigkeit des Fluggastes abhaengig gemacht wird. Einige Luftfahrtgesellschaften verlangten fuer die
gleiche Flugbefoerderungsleistung verschiedene Preise, je nachdem aus welchem Land der Flugpassagier auf die Buchungsseiten der Fluggesellschaften zugriff und welche Kreditkartennummer angegeben wurde. Diese Preisdiskriminierung ist von nun an verboten und nach der Verordnung rechtswidrig.
Alle Preisbestandteile der Buchungskosten eines Flugbefoerderungsvertrages muessen deutlich aufgeschluesselt und verstaendlich mitgeteilt werden. Fluggesellschaften muessen in der Werbung den Endpreis angeben, der sich aus dem Flugpreis, den anfallenden Steuern, den Flughafengebuehren und den Sicherheits- und
Kraftstoffentgelten errechnet. Dies gilt fuer jede Werbung, ob auf Plakaten, in Zeitschriften oder im Internet.
Davon ausgenommen sind fakultative Entgelte wie etwa Gepaeckgebuehren. UEber solche besteht neuerdings jedoch eine Informationspflicht der Airline vor der Buchung des Fluges. UEber „fakultative Zusatzkosten“, also etwa Gebuehren fuer die Befoerderung von Gepaeckstuecken, muss schon zu Beginn jedes Buchungsvorgangs informiert werden und diese beduerfen des ausdruecklichen Einverstaendnisses des Kunden.
Damit solche Zusatzkosten den Verbrauchern nicht untergejubelt werden, verbietet die Verordnung auch, in Online-Buchungsformularen vorab Haekchen neben optionale Leistungen zu setzen in der Hoffnung, dass der Kunde diese uebersieht. Nach den neuen Vorschriften muss der Buchungsvorgang so gestaltet sein, dass die
Kunden kostenpflichtige Zusatzleistungen aktiv bestellen und nicht abwaehlen muessen (sog. „Opt-in“-Loesung). Die bei der Internet-Buchung haeufig anzutreffende Praxis, Kreditkartengebuehren erst in letzter Sekunde anzuzeigen, ist kuenftig nur noch dann legal, wenn alternative Zahlmoeglichkeiten zur Verfuegung stehen.
Der europaeische Gesetzgeber hat die Mitgliedstaaten verpflichtet, gegen Fluggesellschaften abschreckende Sanktionen festzulegen, wenn diese den Bestimmungen zuwiderhandeln. Ein Sprecher der European Low Fares Airline Association, zu der sog. Billigflieger wie Easyjet, Ryanair, Wizz, Flybe, Clickair, Sky Europe und Mayair gehoeren, betonte, dass seine Mitglieder die transparentesten Preispolitiken verfolgten.
Stattdessen beschuldigte der Verband groSSe Staats-Carrier (oder sog. Flag-Carrier wie Deutsche Lufthansa, Air France, British Airways, American Airlines, Air China, Iberia, die durch ihr Image oder ihren Markennamen mit einem bestimmten Staat assoziiert werden) „beleidigender“ Praktiken und hoher Flugpreise.
Auch wenn die Auswirkungen der EU-Verordnung auf die deutsche Rechtslage gering sind, ist es fuer Verbraucher und Fluggaeste positiv, dass nun einheitliche Standards in Europa gelten. Insbesondere die Informationspflicht und die gesetzliche Pflicht, Flugpreisbestandteile aufzuschluesseln, duerften Flugpassagieren in Zukunft helfen, ihre Ansprueche gegenueber Fluggesellschaften durchzusetzen. Viele Flugpassagiere hatten bisher haeufig vergeblich versucht, von Fluggesellschaften ihnen rechtmaeSSig zustehende Gebuehren und Steuern zurueckzufordern. Denn Flugpassagiere haben das Recht Steuern und Gebuehren als personenbezogene Kosten des Flugtickets zurueckzuverlangen, wenn ein Flug verpasst oder nicht wahrgenommen wurde. Die Schwierigkeit bestand oft darin, die Positionen genau zu beziffern. Die Fluggesellschaften sind nun gesetzlich verpflichtet, die Preisbestandteile genau aufzuschluesseln und diese den Fluggaesten zurueckzugewaehren. Trotzdem gilt auf dem hart umkaempften Markt der Flugbefoerderung weiterhin: Augen auf bei der Buchung! Unserioese Lockvogel-Angebote, unlesbare Sternchen hinter Preisen und andere Fallstricke wird es auch zukuenftig geben.
Es empfiehlt sich nach wie vor, maerchenhafte Botschaften der Airlines im Kleingedruckten zu ueberpruefen und sich der zum Teil respektlosen und rechtswidrigen Branchenpraxis einiger ”Billig”-Flieger und Flag-Carrier zu widersetzen. Denn was dem einen ’billig’ ist, ist dem anderen noch lange nicht recht.