Als sich ihre Blicke auf dem Dorfplatz trafen, wusste er, was zu tun war. Er musste ihr einen Lovespoon, einen so genannten Liebeslöffel, schnitzen.
Er nahm sein kleines Taschenmesser und begann seinen Liebes-Dienst. Seinem kuenftigen Schwiegervater wollte er damit beweisen, dass er keine zwei linken Haende hatte. Das war wichtig auf dem Lande – nicht nur in Wales. Seiner Angebeteten zeigte er so, dass er es ernst meinte: Er schnitzte ein Herz in den Stiel des Loeffels, um ihr zu sagen, dass sein Herz ihr gehoerte. Ein Schluesselloch als Symbol fuer ein gemeinsames Heim und Weinreben, die fuer ihr beider Zusammenwachsen standen. Er hoffte, sie wuerde den Loeffel – und auch sein Herz – annehmen. Bald wuerde es auch fuer ihn eine Zeit der Entscheidung geben…
Sie verlebten viele glueckliche Jahre miteinander. Der Lovespoon wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wie lange es ihn schon gab, vergaSS man mit der Zeit. Er war sehr, sehr alt – wie viele, die neben ihm lagen – im Museum of Welsh Life at St. Fagans. Der aelteste seiner Art stammt aus dem 17.Jahrhundert, genauer gesagt von 1660…
[GADS_NEWS]Bis heute hat sich die Tradition des Schnitzens in Wales erhalten. Allerdings laesst man heute schnitzen. Einige Kuenstler verdienen sich mit diesem Handwerk ihren Lebensunterhalt. Als Andenken ist der Lovespoon ein Bestseller aus Wales. Jedem Touristen wird die Geschichte des Loeffels als eine der ersten aufgetischt. Klar, ist jeder begeistert und laeuft geraden Wegs in den naechsten Souvenirshop, um sich seine ganz persoenliche Erinnerung an Wales mit nach Hause zu nehmen. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Je nachdem, welche Plaene man noch hat, verschenke man das: Wofuer das Herz steht, wissen wir ja schon. Eine Osterglocke – als Blume von Wales, ein Drachen steht symbolisch fuer Wales und Schutz; ein Haus – meines ist auch deines; Kugeln im Loeffelstiel bedeuten die Anzahl der Kinder, die man sich wuenscht. Die Liste ist noch viel laenger. Ob einfach nur Glueck herbeigesehnt wird oder die Hochzeit, eine gute Reise oder ein Zuhause – fuer jeden Wunsch gibt es ein Symbol.
Paul Curtis kennt diese Wuensche und die Symbole auch. Er hat sie schlieSSlich schon an die hundert Mal geschnitzt. Paul stammt aus Suedwales und entdeckte schon mit 16 Jahren seine Begeisterung fuer Holz und die Schnitzerei. So ging er bei Gwyndaf Breeze, einem bekannten Holzschnitzer, im Museum of Welsh Life at St. Fagans in die Lehre. Gwyndaf zeigte Paul alle Tricks, wie man einen Lovespoon herstellt, erzaehlte ihm Geschichten ueber Liebe und Holz und gab ihm irgendwann ein Stueck Hartholz, an dem sich sein Lehrling versuchen sollte. So schnitzte Paul Curtis seinen ersten Lovespoon. Das ist mittlerweile viele Jahre her. Heute schnitzt er immer noch Loeffel. Die sind sehr beliebt und werden sogar exportiert. Das Handwerk ist aber nichts fuer Ungeduldige, weiSS der Holzkuenstler. Denn ein Lovespoon muss nach dem Schnitzen mehrere Male mit Sandpapier abgeschmirgelt, geglaettet und zweimal mit Bienenwachs poliert werden. „Eine nervenaufreibende und langwierige Aufgabe“, kommentiert Paul Curtis. „Aber nur so bekommt der Loeffel genau die Qualitaet, die ich an einem sorgfaeltig gearbeiteten walisischen Lovespoon schaetze.“
Gut Ding braucht Weile. Das ist beim Handwerk aehnlich, wie mit der Liebe.
(Text: Regina Zibell)