Marbor. Der Regen hat die Luft rein gewaschen. Die Wolken am blauen Herbsthimmel sind so plastisch, daß man hineinspringen möchte. Eine schmale Schotterstraße führt hinauf zum Traditionsweinhaus „Vinski Hram“.
Edle Tropfen, eine Menge Tradition
Maribor und Regionen im Flußgebiet der Drau wollen „Kulturhauptstadt 2012“ werden
Marbor. Der Regen hat die Luft rein gewaschen. Die Wolken am blauen Herbsthimmel sind so plastisch, daß man hineinspringen möchte. Eine schmale Schotterstraße führt hinauf zum Traditionsweinhaus „Vinski Hram“. In Jeruzalem, einem winzigen Dorf im Nordosten Sloweniens unweit der österreichischen und ungarischen Grenze, gedeihen seit Jahrhunderten Weißweine der Spitzenklasse.
Wirt Vincenc Brenholc kennt sich in den Weinbergen rund um Ormoz und Ljutomer bestens aus. “Im Draugebiet sind Spitzenweine wie der Jeruzalem-can und der spritzige Rieslung zu Hause,“ berichtet er stolz. Für Kenner der Edelreben ist Jeruzalem, das sie gern schon mal als slowenische Toskana loben, eine Art Offenbarung. Und das nicht nur, weil hier im urigen Lokal„Vinski Hram“ bei ausgedehnten Weinproben getafelt, sondern auch mit anderen Spezialitäten der Region wie naturbelassenem Honig, lokalem Slibowitz und reinem Kürbiskernöl gehandelt wird.
Wer auf der Suche nach noch mehr Weinseeligkeit ist, wird in Maribor fündig. Die Bischofsstadt am Fuße des grünen Pohorje beherbergt im Zentrum einen der größten Weinkeller Europas. 24 Steinstufen führen hinab ins Reich von Weingott Dionysus. Dort lagern in Fässern aus slowenischer Eiche über fünf Millionen Liter der edlen Tropfen. Darunter 100 Flaschen „Welsch Riesling“, verfüllt ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Unter der Obhut von Kellerchef Bagdhan Pecuh reifen die Weine bei Temperaturen zwischen 12 und 15 Grad Celsius. Pecuh ist Chef des Handelsunternehmen Stock Company, das mit der Produktion von Wein und Äpfeln Geld verdient und das unterirdische Gewölbe in der Stadt sein Eigen nennt.
Das es die Mariborer mit dem Wein ernst meinen, belegt der Weinkrieg, den sie über dreihundert Jahre mit der mittelalterlichen Stadt Ptuj führten. Grund der Feindseeligkeiten waren Habsburger Privilegien über den Weinverkauf. Den Streit um die Vorherrschaft der Alten Rebe, der ältesten weltweit, beendete schließlich Erzherzog Johann im 19. Jahrhundert. Der österreichische Thronfolger gilt seither als großer Förderer und Mäzen aller Weinbauern in der Region.
Maribor an der Drau macht auch mit Nationaltheater, Oper, Galerien und Museen auf sich aufmerksam. Das Kulturhaus Narodni ist eines der Zentren, in dem sich Laienschauspieler, Puppenspieler und Musiker ein Stelldichein geben. Die internationale Künstlerelite trifft sich dagegen jährlich im Narodni zu einem großen Festival. Anfang September reisen regelmäßig über 200 Künstler aus aller Welt an, um in Maribor Spitzenleistungen der Klassischen Musik abzuliefern. Dabei bleibt bei Stadtführerin Malinka Kosar nicht unerwähnt, daß Slowenen ohnehin traditionell ein musikliebendes Völkchen seien: „Nach dem Genuß diverser Pflaumenschnäpse wird aus drei Slowenen immer ein Chor“, schmunzelt Frau Kosar.
Die verwurzelte Sangesfreudigkeit könnte ja schließlich auch ein Grund von vielen anderen sein, warum Slowenien die Universitätsstadt an der Drau gemeinsam mit einigen Regionen im Umland für die Auszeichnung „Kulturhauptstadt 2012“ vorgeschlagen hat.
Günter von Saint-George