Unbekanntes Manuskript zu „Deutschland. Ein Wintermärchen“/ Wertvolle Neuerwerbung für Heine-Institut
Düsseldorf – Das satirische Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ (1844) ist – neben der „Loreley“ – zweifellos das bekannteste Werk Heinrich Heines. Als er das Manuskript aus Paris an seinen Verleger Julius Campe nach Hamburg schickte, schrieb Heine: „Es ist ein gereimtes Gedicht, welches […] die ganze Gärung unserer deutschen Gegenwart in der kecksten, persönlichsten Weise ausspricht. […] Ich bin diesmal sicher, daß ich ein Werkchen gegeben habe, das mehr Furore machen wird als die populärste Broschüre und das dennoch den bleibenden Wert einer klassischen Dichtung haben wird.“
Er sollte Recht behalten: Mit seinem virtuosen Wortwitz, seinen Spitzen gegen die Obrigkeit und die rückständigen politischen Verhältnisse zählt „Deutschland. Ein Wintermärchen“ zu den Meisterwerken der deutschen Literatur. Zugleich ist es auch ein großes Bekenntnis des exilierten jüdischen Dichters zu seiner Heimat – jenseits der von ihm so verachteten „Deutschtümelei“ – und ein bewegendes Plädoyer für ein „anderes“, besseres Deutschland.
Ein bisher unbekanntes Entwurfsmanuskript, das aus einer frühen Entstehungsphase des „Wintermärchens“ stammt, ist nun in den USA aufgetaucht. Die Bedeutung des Epos, aber auch die Tatsache, dass seine Entstehungsgeschichte insgesamt bereits gut dokumentiert ist, machen diesen Fund zu einer besonderen Überraschung. Das Blatt befand sich im Besitz eines Privatsammlers und wurde von einem amerikanischen Auktionshaus auf der diesjährigen Frankfurter Antiquariatsmesse angeboten. Durch das gemeinsame finanzielle Engagement von vier Partnern konnte es für das Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf erworben werden. Die Stadt Düsseldorf, das Land Nordrhein-Westfalen sowie die Heinrich-Heine-Gesellschaft e. V. mit ganz besonderer Unterstützung der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege e. V. machten diesen bedeutenden Ankauf möglich.
Das neu aufgefundene Stück enthält den Entwurf dreier Strophen aus Caput VII., einem der Abschnitte, die in Köln spielen. Es handelt vom ebenso schläfrigen wie träumerischen Wesen der „deutschen Seele“ und leitet eine der großen Traumsequenzen ein:
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Britten,
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier, deutsche Seele, bist du groß […],
heißt es dort unter anderem, und der Entwurf gewährt interessante neue Einblicke in den Arbeitsprozess des Dichters, über dessen Gedanken stets das Damoklesschwert der Zensur hing. Das Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut, das die weltweit größte Sammlung von Heine-Handschriften beherbergt, kann dieses wertvolle Stück nun der Forschung zugänglich machen.
Nach seinen beiden Reisen, die ihn 1843 und 1844 aus seinem Pariser Exil nach Hamburg führten und zwischen denen er „Deutschland. Ein Wintermärchen“ schrieb, kehrte Heine nicht mehr nach Deutschland zurück. Aber mit dem Entwurfsmanuskript gelangt nun ein weiteres bedeutendes Zeugnis seiner Arbeit in seine Heimatstadt.