Heine-Institut startet neue Lesereihe mit „Die Unvollendeten“
Düsseldorf – Erfinden die Dichter die Vergangenheit und wie wird Vergangenes in der Literatur gegenwärtig und aktuell? „Die sogenannte Objektivität“, heißt es schon 1839 bei Heinrich Heine, „wovon heut so viel die Rede, ist nichts als eine trockene Lüge; es ist nicht möglich, die Vergangenheit zu schildern, ohne ihr die Färbung unserer eigenen Gefühle zu verleihen.“ Historisches Erzählen sei mehr als „die genauen Angaben des Faktums“, mehr als die „Schädelstätte der Thatsachen“.
Spannend zu beobachten ist in der neuen deutschen Literatur ein großes Interesse an historischen Stoffen, die nicht nur um ihrer Vergangenheit willen erzählt werden, sondern immer im Blick auf ihre heutige Aktualität. Diesem Aspekt widmet das Heinrich-Heine-Institut, Bilker Straße 12-14, jetzt die neue Lesereihe „Die Erfindung der Vergangenheit“. Sie startet am Donnerstag, 20. November, 19. 30 Uhr: Reinhard Jirgl liest aus seinem Buch „Die Unvollendeten“. Der Eintritt beträgt sechs Euro, ermäßigt vier Euro.
Reinhard Jirgl, geboren 1953, lebt in Berlin. Für sein großes Romanwerk erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den Alfred-Döblin Preis 1993, den Josef-Breitbach-Preis 1999, den Dadalus-Preis für Neue Literatur 2004 und den Bremer Literaturpreis 2006. In „Die Unvollendeten“ erzählt Jirgl die Geschichte von vier Frauen, den einzigen Mitgliedern einer Großfamilie, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben. Aus der Perspektive des Enkels beschreibt er die Erfahrung der Vertreibung, den Verlust der Heimat, die Entwurzelung und das neue Leben in einem kleinen ostdeutschen Dorf bis in die Gegenwart des Jahres 2002 in Berlin. Immer ist es ein Leben in der Fremde geblieben.
In seiner formal einzigartigen Sprache verdichtet Jirgl ohne das Selbstmitleid der Opfer Abschiede und Neuanfänge. Die „Zeit“ kommentierte: „Noch nie ist die deutsche Nachkriegszeit so überzeugend geschildert worden.“