Einmal mit der Kraft der Sonne um die Erde fliegen und dabei Kontinente und Ozeane überwinden. Diesem bisher unerreichten Ziel stellt sich das Projekt SolarImpulse.
Köln – Mit einem extrem leichten Flugzeug bedeckt von Solarzellen und angetrieben von vier Elektropropellern soll dieses fliegerische Wagnis 2015 gelingen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in einem rund zweiwöchigen Standschwingungsversuch bis Anfang April das Strukturverhalten des Leichtbaufliegers untersucht. Damit erhalten die Solarflugpioniere aus der Schweiz wertvolle Informationen über das zukünftige Flugverhalten ihres Prototyps. Ein wichtiger Schritt für den Flug um die Welt. „SolarImpulse ist ein faszinierendes fliegerisches Pionierprojekt“, sagt DLR-Luftfahrtvorstand Prof. Rolf Henke. „Wie zu Beginn der Fliegerei haben sich unerschrockene Piloten und kühne Konstrukteure zusammengefunden, um neue Wege in die Luft zu finden. Das DLR mit seiner bis 1907 zurückreichenden Tradition in der Luftfahrtforschung unterstützt SolarImpulse bei dieser Pionierarbeit mit seiner Expertise und Messtechnik.“
Leichtgewicht mit 72 Meter Spannweite
Nachdem SolarImpulse bereits vor einigen Jahren einen Prototypen baute mit dem zum ersten Mal ein Tag- und Nachtflug in einem Solarflugzeug gelang, steht nun ein zweiter noch größerer Solarflieger im Heimathangar nahe dem Schweitzer Ort Payerne. Das neue Großflächensolarflugzeug, das es einmal um die Erde schaffen soll, füllt den Hangar mit einer Spannweite von 72 Metern fast vollständig aus. Trotz dieser Größe bringt das Leichtgewicht mit der Kennung HB-SIB nur rund zweieinhalb Tonnen auf die Waage. Knapp die Hälfte des Gewichts entfallen auf das Cockpit und die vier Triebwerksgondeln mit den integrierten Batterien, die das Flugzeug in der Nacht mit Strom versorgen. „Wir haben es hier mit einer extremen Leichtbaukonstruktion zu tun, bei der ein minimales Gerüst aus CFK-Elementen von einer nur 0,2-Millimeter dünnen HiTech-Folie überspannt ist“, sagt Yves Govers vom DLR-Institut für Aerolastik in Göttingen. „Solch ein Flugzeug hat ein ganz eigenes Schwingungsverhalten etwa bei Windböen und Steuermanövern, das wir mit spezieller Messtechnik bei sogenannten Standschwingungsversuchen untersucht haben.“
Yves Govers hat die aufwendigen Tests am SolarImpulse-Neuling geleitet. Standschwingungsversuche sind ein wichtiger Bestandteil des Testprogramms von Flugzeugprototypen. Für jedes neue Flugzeugmuster muss dessen Flattersicherheit nachgewiesen werden. Flattern ist ein gefährlicher Schwingungszustand, der im Flug nicht auftreten darf. Dabei vergrößern sich die Schwingungen eines Flugzeugs, indem über die Tragflächen Energie aus der Umströmung aufgenommen wird. Auf dem Gebiet der Standschwingungsversuche ist das DLR-Institut für Aeroelastik führend und hat bereits Prototypen großer Verkehrsmaschinen wie den Airbus A380 oder A350 auf ihr Schwingungsverhalten hin vermessen. „Beim Prototypen von SolarImpulse werden die Standschwingungsversuche allerdings nicht primär wegen der Flatteruntersuchungen durchgeführt“, grenzt Versuchsleiter Govers die Situation ein. „Das extrem leichte Solarflugzeug ist nur mit einer Geschwindigkeit von rund 70 Kilometern pro Stunde unterwegs, um besonders energiesparend zu fliegen. Bei diesen geringen Geschwindigkeiten ist das Flattern eher ein nachrangiges Problem.“ Wichtig sind die Ergebnisse der Standschwingungsversuche für SolarImpulse vor allem, um Computermodelle des Spezialflugzeugs zu überprüfen und somit dessen Strukturverhalten im Flug verlässlich vorhersagen zu können.
An der Grenze des Messbaren
Der extreme Leichtbau kombiniert mit der Flügelspannweite von 72 Metern ist für die DLR-Forscher eine besondere Herausforderung: „Die Tragflächen des Solar-Motorseglers sind in ihrer Größe vergleichbar mit denen heutiger Verkehrsflugzeuge, allerdings schwingen diese durch den extremen Leichtbau deutlich langsamer“, so Govers. „Wir haben es hier mit Schwingungsperioden von bis zu drei Sekunden zu tun. In diesem Bereich befinden wir uns an den Grenzen des überhaupt Messbaren.“ Der Prototyp von SolarImpulse wird von den DLR-Forschern mit elektrodynamischen Erregern, sogenannten Shakern, an mehreren Stellen in Schwingung versetzt. Die Shaker erzeugen wie bei Lautsprechern die Schwingungen über eine Magnetspule. Hier wird allerdings die Magnetkraft nicht für die Bewegung einer Lautsprechermembran benötigt sondern direkt für die Vibration der Flugzeugstruktur verwendet.
Bei größeren Verkehrsmaschinen wird das Fahrwerk für den Standschwingungsversuch auf einer weichen Lagerung platziert, sodass es wie im Flug schwebt. „Aufgrund des extremen Leichtbaus mussten wir den SolarImpulse-Prototypen auf einem sogenannten Gimbal lagern“, sagt Govers. „Der Gimbal sperrt nur die Vertikalbewegung, also das auf und ab des Flugzeugs, alle anderen Bewegungen sind frei. Um diese instabile Lagerung zu stabilisieren waren zusätzliche Abspannungen mit Gummiseilen erforderlich.“
Kontinuierliche Zusammenarbeit
Das DLR unterstützte bereits in den Jahren 2008 und 2010 den Bau des ersten SolarImpulse-Prototypen HB-SIA während der Entwicklung mit Komponententests und einem Standschwingungsversuch. Wenn alles planmäßig verläuft wird sich nun der zweite Prototyp 2015 zu seiner Weltreise mit Sonnenenergie aufmachen, bei der erneut die Messtechnik des DLR aus Göttingen einen Teil zur Verwirklichung dieses fliegerischen Abenteuers beiträgt.
Foto: Carstino Delmonte