Ein Jahr haben Mitglieder der Royal Photographic Society (RPS) das Phänomen „Publikum“ mit der Kamera verfolgt und an unterschiedlichen Orten in Europa aufgespürt.
Düsseldorf – Ob als Masse oder als Einzelne – mit höchst unterschiedlichen Reaktionen erweisen sich die Zuschauer als intensive oder gelassene Mitspieler im Prozess ernster wie populärer Darstellungen. Die Früchte ihrer Arbeit präsentieren die Fotografen der deutschen RPS-Sektion jetzt in einer Ausstellung unter dem Titel „BlickWechsel – Die Kunst des Zuschauens“ im Düsseldorfer Theatermuseum.
Bertolt Brecht hat die Kunst des Zuschauens als die andere unverzichtbare Kunstform des Theaters neben der darstellenden Kunst definiert. Theaterkunst vollzieht sich im Angesicht ihrer Zuschauer. Vor ihren Augen entsteht und vergeht das theatralische Kunstwerk. Die Leistung der Darsteller verändert sich dabei mit der Qualität des Zuschauens. Brecht unterscheidet zwischen „Glotzen“ und „Sehen“, Goethe zwischen dem „Liebhaber“ und dem „Kenner“ im Publikum.
Das Publikum setzt sich aus Individuen zusammen – mit ganz unterschiedlichen Empfindungen, Reaktionen, „Handlungen“, denn auch das Publikum „handelt“: Es bereitet sich vor auf das Theater, es stimmt sich ein, es legt ein Kostüm an. Es nimmt seinen Platz ein, es bildet Muster und Strukturen, es folgt Choreografien. Die Handlung erregt seine Emotionen, die sich ablesen lassen an Mimik und Gestik. Die Zuschauer wenden sich einander zu, reagieren aufeinander, ziehen sich in sich zurück, erleben Schönheit und Ekstase. All das ist bekannt, erlebt, beschrieben. Dennoch herrscht das Bild des Publikums als einer passiven, bloß reagierenden Masse vor.
Mit der Ausstellung „BlickWechsel“ treten zum ersten Mal Fotografen als Dokumentare und Zeugen dafür an, dass das Publikum handelt, dass es lebendiger Bestandteil des kommunikativen Prozesses ist. Die Mitglieder der Royal Photographic Society haben dieses Neuland betreten und damit nicht nur die Fotografie um ein wesentliches Sujet bereichert, sondern auch der Theatertheorie einen Dienst erwiesen.
Seit 1853 fördert die Royal Photographic Society mit Sitz im englischen Bath die „Kunst und Wissenschaft der Fotografie“. Die Mitgliedschaft steht jedem offen, der an Fotografie interessiert ist.
2007 trafen sich die deutschen Mitglieder, ergänzt um Gäste aus dem Benelux-Bereich, im Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf, um die Gründung einer deutschen Sektion zu erörtern. Das Theatermuseum wurde nicht zuletzt wegen seiner umfangreichen fotografischen Sammlungen zum Theater als Austragungsort gewählt. Hier entstand die Idee zu dieser Ausstellung. Im Laufe des vergangenen Jahres machten sich die Fotografen auf die Suche nach geeigneten Orten und Situationen. Sie fanden sie nicht nur im Theater. Auch an anderen Orten finden symbolische Handlungen statt: Spiele, die ohne die Beteiligung des Zuschauers nicht möglich wären und die den gleichen kommunikativen Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
Die Ausstellung im Theatermuseum, Jägerhofstraße 1, wird vom 8. Februar bis 5. April gezeigt. Beteiligte Fotografen sind: Antony E. Cutler (Weibersbrunn), Will Donnelly (Düsseldorf), Chiara Ferraú (Hamburg),
Andreas Köhler (Düsseldorf), Gerd Krauskopf (Remscheid), K.H.Peters (Hopsten), Andreas Pfeiffer (Backnang), KM Udo Remmes (Düsseldorf), Siegfried Rubbert (Hagen), Renate Scherra (Düsseldorf), Wolfgang Schweden (Hannover), Grahame Soden (Berlin), Helmut Willmann (Düsseldorf) und Horst Witthüser (Hagen). Regelmäßige Führungen durch die Ausstellung werden an jedem dritten Sonntag im Monat um 15.30 Uhr angeboten.