Aus der belgischen Hauptstadt und EU-Metropole stammt die Haute Couture der Pralinen. Dieser Ruf jedenfalls eilt ihr vehementer voraus als der eines Mekkas für Mode und Design. Doch wo die Kunst der Chocolatiers als Design gefeiert wird, hatten es auch Kreationen aus Stoff, Designermöbel und Architekturtrends nie schwer. Auf der Grand Place, die kurzfristig mal als Laufsteg dient, in den eleganten Boutiquen der Shopping-Meilen oder bei einem Design-Menu kann man Brüssel modisch und extravagant erleben. – Von Petra Sparrer
Alteingesessene Laeden rund um das Sightseeing-Highlight Grand Place erinnern an den lukrativen Handel mit Bruesseler Spitze. Im Stadtmuseum geraten Besucher vor den hunderten von maSSgeschneiderten Outfits fuer den frechen Ehrenbuerger Manneken Pis ins Staunen. In der Rue du Marche aux Herbes und im Saint-Jaques-Viertel mit der Ausgeh- und Schwulenmeile Kohlenmarkt bieten Boutiquen die neuesten Schoepfungen der erfolgreichen belgischen Modeszene: Vintage, flippige Designs und Kindermode neben touristischen Devotionalien und Edelpralinen. Kurioses neben Avantgardistischem, wohin das Auge auch blickt. Und in den Galeries St-Hubert, die zu Europas ersten Einkaufspassagen zaehlen und einst Flaniermeile intellektueller Exilanten aus Frankreich waren, bieten Luxusmarken wie Delvaux Luxusledertaschen zu Luxuspreisen feil.
Erst wer den FuSS in die Rue Antoine Dansaert setzt, spuert den Rueckenwind und wirtschaftlichen Aufschwung der Modebranche. Belgiens Creme de la Creme des Modebusiness begann vor etwas mehr als zehn Jahren in dem fast verfallenen Viertel Sainte-Catherine ein paar Schritte von der Boerse entfernt, Lofts zu restaurieren und Ateliers und Boutiquen zu eroeffnen. Neben Laeden fuer Moebeldesign und Geschenke trifft man hier auf klingende Namen wie Dries Van Noten und Veronique Branquinho. Um die Ecke liegt sicher nicht rein zufaellig die alte Markthalle, ein beliebter Treffpunkt im Zentrum nachtaktiver StraSSenzuege mit hoher Kneipendichte. Renommierte Markenkreateure wie Christophe Coppens, Olivier Strelli, Annemie Verbeke und Johanne Riss fuehlen sich inzwischen in der Rue Antoine Dansaert zu Hause. Sie lieben das kreative Ambiente und den Austausch mit den Kollegen. Beliebt sind auch die hohen Raeume, die weiten Flaechen zum Sehen und Gesehen-Werden, z.B. beim Stylistenparcours in der Beurschouwburg, dem groSSzuegig gebauten flaemischen Kulturzentrum (Rue Antoine Dansaert).
[GADS_NEWS]Immer mehr Modedesigner der 1986 gegruendeten und hoch angesehenen Bruesseler Designerhochschule Ecole de La Cambre und Absolventen der Haute Ecole Francisco Ferrer machen international von sich Reden. La Cambre-Absolvent Olivier Theyskens entwarf das Kleid, das Madonna zur Oskarverleihung trug. Viele Nachwuchsdesigner bekamen Auszeichnungen auf dem Internationalen Modefestival im franzoesischen Hyeres. Auch das Atelier Lannaux, St. Luc und Syntra sind in Fachkreisen Begriffe. Elvis Pompilio schaffte den internationalen Durchbruch 1987 mit einer extravaganten Hutkollektion. Olivier Strelli kreierte 1989 und 1999 die Uniformen der Sabena-Stewardessen und 1997 das Outfit fuer Mick Jaggers Welttournee „Bridge to Babylon“. In weltweit ueber 500 Boutiquen verkauft er seine erfolgreichen, von Afrika inspirierten Farbkreationen, die so gut zum multikulturellen Bruessel passen. Auch Belgiens Koenigin Paola, Prinz Philippe und Prinzessin Mathilde lieSSen sich von ihm einkleiden.
Ehrgeiz wird beim Bruesseler Nachwuchs groSSgeschrieben. Es gilt dem beispielhaften Erfolg der sechs Antwerpener Marina Yee, Dries Van Noten, Ann Demeulesmeester, Walter van Beiredonck, Dirk Bikkembergs und Dirk Van Saene zu folgen. Denn sie brachen mit dem Monopol der maechtigen Achse Paris – London – Mailand. Christophe Coppens – ganz in Bruessels Esprit –kreiert surrealistisch gepraegte Huete, Taschen und Accessoires, waehrend Annemie Verbeke, Professorin in La Cambre, eher auf ein Outfit setzt, dass sich an Frauen jeden Alters anpasst. Xavier Delcour uebertraegt seine von der Rockmusik inspirierte AEsthetik auf seine Kreationen und seinen Schmuck.
Junge Talente und das Label „Made in Brussels“ foerdert der eingetragene Verein ModoBruxellae (www.modobruxellae.be), angesiedelt in der Rue Leon Lepage, am Puls des In-Modeviertels Dansaert, das sich bis zum Kanal erstreckt. Linda Van Waesberge und Veronique Heenne gelten als Kreativkoepfe dieser Vereinigung, die alle Branchennovitaeten mitbekommen, sich fuer Nachwuchs-Designer einsetzen und alle zwei Jahre einen Stylisten-Parcours organisieren. Ein Top-Event der Branche, jedes Mal an einem neuen besonderen Ort und ein kreativer Austausch zwischen den Modeschaffenden verschiedener Modehaeuser. Der Erfolg der Foerdereinrichtung gilt als vorbildlich. Inzwischen wurde auch das Pendant fuer Innenarchitekten, Moebel- und Objektdesigner gegruendet – „Designed in Brussels“. Schon nach zwei Jahren emsigen Schaffens und Kontakteknuepfens weit weg von der Rue Dansaert in dem weitaus ruhigeren Laeken, wo auch der belgische Koenig wohnt, initiierte der Verein den „Preis fuer junge Nachwuchsdesigner“.
Doch wo geht eigentlich die Upper Class in Bruessel shoppen? Sicher nicht im EU-Viertel, wo zwischen Buerohochhaeusern und Glasfassaden die Autos ueber die Stadtautobahn Rue de la Loi brausen. Auf der Avenue Louise im Hause Natan schneidert Edouard Vermeulen nach MaSS und ganz exklusiv fuer die Koenigsfamilien aus Belgien, den Niederlanden, Daenemark und Norwegen. Bruessels luxurioeseste und internationalste Adresse ist der Boulevard de Waterloo gleich um die Ecke, wo internationale Koryphaeen wie Armani, Ralph Lauren, Cartier, Vuitton, Dior Rolex und Co. vertreten sind.
Modo Bruxellae lieSS die Kreationen aus Bruessel 2006 internationale Luft schnuppern und organisierte als Marketing-Coup eine mobile Verkaufsausstellung. „Boutiqk 100% Brussels“ praesentierte in New York, Barcelona, Paris, Mailand und dem Belgischen Haus in Koeln Kreationen von 20 Designern, darunter Annemie Verbeke, Cathy Pill, Christophe Coppens, Conni Kaminski, Johanne Riss, Mademoiselle Jean, Marina Yee, Nicolas Woit. Natuerlich nicht ohne Traditionsbewusstsein fuer belgisches Design. Die schlichten Pappschraenke trugen Jugendstilornamente.
Wer sich lieber selbst vor Ort von der Auffassung des Gesamtkunstwerks des einst hochmodernen Jugendstil ueberzeugen moechte, ist im Bruesseler Musee Horta an der richtigen Adresse, dem frueheren Atelier und Wohnhaus des Meisters der Peitschenstillinie („ligne coup de fouet“) Victor Horta. Und wer erst einmal beginnt, Bruessel mit den offenen Augen des Liebhabers von Mode und Design zu durchstreifen, dem wird in dieser Stadt die Inspiration so schnell nicht ausgehen.
Adressen:
Modo Bruxellae-Plattform fuer Modedesigner in Bruessel
Modo Bruxellae
Rue Leon Lepage 38
B-1000 Bruessel
Internet: www.modobruxellae.be
Designed in Brussels
Rue de Laeken 99
B-1000 Bruessel
Internet: www.designedinbrussels.be