Luftverkehrsteuer hemmt Rückkehr in Gewinnzone – Hunold kritisiert Wett-
bewerbsverzerrung. Zusätzliche Ergebnisbelastung durch gestiegenen Kerosinpreis und Rückgang des Nordafrika-Geschäfts. Programm „Shape & Size“ soll Unternehmen profitabler machen. Q2: Umsatz gesteigert, Yield und Auslastung verbessert, Kosten vor Kerosinpreis und Luftverkehrsteuer reduziert
Berlin – Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft airberlin hat mit „Shape & Size“ ein umfangreiches Programm eingeleitet, um das Unternehmen in Zukunft profitabel aufzustellen.
Zu dem Maßnahmenpaket zählen unter anderem die Verringerung der Kapazität um mehr als eine Million Sitze im zweiten Halbjahr 2011 und die damit verbundene Reduzierung der Flotte um acht Flugzeuge, die Streichung unrentabler Strecken, Frequenzreduzierungen, der teilweise Rückzug von Regionalflughäfen sowie die Konzentration auf die Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Palma de Mallorca und Wien. Bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal 2011 (Q2) sagte der in Kürze abdankende Firmenchef Joachim Hunold am Donnerstag in Berlin, eine bessere Auslastung, eine Verbesserung der Einnahmen pro Passagier und Kostensenkungen hätten nicht gereicht, um sowohl die höheren Belastungen durch die Luftverkehrsteuer und erhöhte Kerosinpreise als auch den durch die Unruhen in Nordafrika bedingten Rückgang des für die Fluggesellschaft wichtigen Ägyptengeschäfts aufzufangen. „Um profitabel zu werden, müssen wir Einschnitte in unser Streckennetz und in unserer Flotte vornehmen“, sagte Hunold. Als Beispiel unrentabler und daher zu stornierender Strecken nannte der Airline-Manager Frankfurt – Hamburg, Frankfurt – Neapel, Stuttgart – St. Petersburg, München – Kairo und Düsseldorf – Paris.
Als Opfer der Luftverkehrsteuer bezeichnete der zum ersten September zurücktretende Chef der Airline die Regionalflughäfen. So werde das Unternehmen ihre Flüge von Münster/Osnabrück nach London, Wien und Sylt ebenso wenig aufrecht erhalten können, wie die Verbindungen von Köln/Bonn zu verschiedenen Destinationen in Marokko sowie nach Valencia. Darüber hinaus wird man über den Winter von Köln aus nicht mehr direkt nach Innsbruck, Neapel und Palermo kommen. Storniert wird die Strecke Hannover – London. Karlsruhe, Dresden und Basel verlieren ab November über den Winter ihre Direktverbindungen nach Palma de Mallorca; von Paderborn aus geht es nicht mehr nach London und Manchester. Außerdem werden Malaga und Alicante aus dem Programm von zahlreichen Flughäfen aus reduziert oder – wie Klagenfurt – zumindest über den Winter ganz aus dem Programm genommen. Erfurt wird als Standort ganz aufgegeben.
Während Air Berlin bei einem Umsatz von 1,8 Mrd. Euro im ersten Halbjahr rund 74,4 Mio. Euro Luftverkehrsteuer (4,1 Prozent vom Umsatz) abführen musste, waren es beim größten Wettbewerber in Deutschland bei einem Gesamtumsatz von rund 14,1 Mrd. Euro nur 162 Mio. Euro (1,15 Prozent vom Umsatz). Hunold: „Durch die Luftverkehrsteuer und den bestehenden Wettbewerbsdruck ist es unmöglich, zum Beispiel den gestiegenen Kerosinpreis vollständig an die Kunden weiterzugeben.“
„Die geplanten Maßnahmen werden möglicherweise nicht ausreichen, um ein positives operatives Ergebnis zum Jahresende zu erreichen, weil einige der Einspareffekte erst im kommenden Jahr wirksam werden“, sagte Hunold.
CFO Ulf Hüttmeyer betonte, dass das Unternehmen auf gutem Weg zur Konsolidierung war. Im zweiten Quartal 2011 konnte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum der Yield (Erlös pro Passagier) um 6,5 Prozent auf 107,68 Euro erhöht werden. Gleichzeitig verbesserte sich der Sitzladefaktor um 3,6 Prozentpunkte auf 77,4 Prozent. Deutliche Fortschritte wurden auch bei der Kostenreduzierung (ohne Luftverkehrsabgabe und Kerosin) erzielt. Insgesamt macht dies eine Summe von rund 111 Mio. Euro aus.
„Die Nachfrage nach den für unser Unternehmen so wichtigen touristischen Zielen in Nordafrika hat sich allerdings nach den Unruhen nicht wieder erholt.“ Als Beispiel nannte Hüttmeyer Ägypten, wohin die Airline normalerweise rund 80 Mal in der Woche fliegt. Wochenlang wurde gar nicht geflogen und im März dieses Jahres begonnen, Ägypten wieder aufzunehmen. Ähnliches galt für Marokko und Tunesien. Insgesamt ergab sich im zweiten Quartal 2011 eine Kapazitätsreduzierung des Nordafrika-Angebots von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Allein diesen Ausfall bezifferte Hüttmeyer im zweiten Quartal mit 20 Mio. Euro. Zusammen mit dem zusätzlichen Auf-
wand durch die erhöhten Kerosinpreise von mindestens 71 Mio. Euro und die Luftverkehrsteuer von rund 45 Mio. Euro sind dies mindestens 136 Mio. Euro.
Positiv entwickeln sich die airberlin Drehkreuze in Berlin und Düsseldorf. Ein Jahr vor Eröffnung des neuen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) bietet das Air Berlin Drehkreuz mit wöchentlich 9.000 Anschlussverbindungen so viele Umsteigemöglichkeiten wie nie zuvor. Im Juni 2011 betrug der Anteil der Umsteiger nach einem kontinuierlichen Wachstum 17 Prozent, der bislang gemessene Tageshöchstwert lag bei rund 23 Prozent. Ähnlich erfolgreich funktioniert das Drehkreuz in Düsseldorf, wo Air Berlin in den ersten sechs Monaten des Jahres das Passagiervolumen im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent steigern konnte. Im Juni betrug der Umsteigeanteil am Drehkreuz in Düsseldorf 16 Prozent, der bislang gemessene Tageshöchstwert lag bei 20 Prozent. Pro Woche wurden 4.400 Anschlussverbindungen angeboten. Das Drehkreuz in Palma de Mallorca profitierte durch die in 2010 etablierte neue Hubstruktur. Die Anzahl der Verbindungen stieg im Sommer 2011 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Prozent. Mit Beginn des Winterflugplans wird auch der Flughafen Wien stärker als Drehkreuz aufgebaut. So bietet die Airlinegruppe mehr Umsteigeverbindungen und Frequenzen nach Osteuropa (Belgrad, Bukarest, Sofia) und auf der Nord-Süd-Achse (zum Beispiel Hamburg – Sofia) an sowie bessere Abflugzeiten.
„Unsere Drehkreuze funktionieren bereits, und wir bauen sie weiter aus“, kommentiert Noch-Chef Joachim Hunold. „Mit einer einzigen neuen Strecke erreichen wir mehrere neue Anschlusskombinationen. Durch das Hub-Konzept ist es uns möglich, neue Ziele schneller anzubieten und auch Langstrecken rentabel zu fliegen.“
Als Erfolg bezeichnete Hunold die bisher vereinbarten Codeshare-Abkommen mit den zukünftigen Partnern in der Airline-Allianz oneworld. Seit Anfang des Jahres konnte Air Berlin durch Kunden der Partner rund 100.000 Codeshare-Buchungen registrieren. Allein in Nordamerika bietet die Linie mit American Airlines derzeit 35 Ziele in den USA, Kanada, Puerto Rico sowie auf den Bahamas an.
Die Air Berlin PLC hat im zweiten Quartal ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 877 Mio. um 27,3 Prozent auf 1,1 Mrd. Euro (Q2 2010 mit NIKI: 957,9 Mio. Euro) gesteigert. Trotz des geringeren als geplanten Umsatzes und des ölpreisbedingten Mehraufwands ist das EBITDAR (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Leasingaufwendungen) von 124,3 Mio. Euro auf 142,3 Mio. Euro (Q2 2010 mit NIKI: 129,6 Mio. Euro) gestiegen; das EBIT (operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern) fiel von -28,2 Mio. Euro (Q2 2010 mit NIKI: -27,8 Mio. Euro) auf -32,2 Mio. Euro. Ohne die Luftverkehrsteuer würde sich ein EBIT von 12,2 Mio. Euro ergeben. Das Finanzergebnis hat sich von -39,7 Mio. (Q2 2010 mit NIKI: -40,5 Mio. Euro) auf -47,3 Mio. Euro reduziert.
Das Eigenkapital der Air Berlin PLC beträgt 308,3 Mio. Euro (Vorjahr: 490,9 Mio. Euro) und die Nettoverschuldung 616,1 Mio. Euro (Vorjahr: 493,4 Mio. Euro).
Foto: Edgar Delmont