Abitur und Auslandsaufenthalte in Zeiten von Corona


05 Mai 2021 [14:26h]     Bookmark and Share


Abitur und Auslandsaufenthalte in Zeiten von Corona

Foto: Edgar Delmont



Zukunftsplanung während der Pandemie

Rheda-Wiedenbrück – „Abitur – und dann?“ Diese Frage stellen sich auch 2021 mehr als 400.000 Schülerinnen und Schüler. Ausbildung? Studium? Und was überhaupt? Bis 2019 lautete die Antwort daher häufig „erstmal ins Ausland“. Doch Corona zwingt bereits im zweiten Jahr zum Umdenken in den Abschlussklassen. Dabei erweisen sich Kreativität und Flexibilität als wichtigste Schlüsselkompetenzen, um die Pandemie sinnvoll zu überbrücken.

Au Pair in Australien, Freiwilligenarbeit in einem Schildkrötenprojekt in Costa Rica bzw. Entwicklungshilfe in Malawi oder doch lieber Work & Travel als Erntehelfer auf einer Kiwifarm in Neuseeland? Wohl kein Lebensabschnitt ist so günstig für Auslandsaufenthalte wie die Zeit nach dem Schulabschluss. Doch bereits für den zweiten Abiturjahrgang fallen Auslandszeiten im „Gap Year“, dem  „Lückenjahr“, zwischen Schulabgang und nächstem Karriereschritt wegen anhaltender Reisebeschränkungen quasi weg.

Studium: Hohe Abbrecherquote befürchtet

Viele Abiturienten wechseln daher vom Klassenzimmer direkt in den Hörsaal. „Ein ’spontaner‘ oder wenig reflektierter Einstieg ins Hochschulleben birgt die Gefahr, das Studium später abzubrechen“ prognostiziert Frank Möller, Geschäftsführer der Initiative Auslandszeit GmbH. Auf ihrer Orientierungsplattform  verzeichnet die Agentur aus Rheda-Wiedenbrück einen steigenden Beratungsbedarf sowohl von Schülern als auch Eltern.

„Eine Auslandszeit vor dem Studium hat viele Vorteile“, so Möller weiter. Vor allem die eigenständigen Entscheidungen jenseits des heimischen Alltags formen die Persönlichkeit junger Menschen, und beeinflussen darüber hinaus deren Zukunfts-Entscheidungen. ‚Was soll mal aus mir werden?‘, ‚Welche Karriereschritte soll ich als nächstes gehen?‘ sind Fragen, die häufig erst mit Abstand von der gewohnten Umgebung sicher getroffen werden. Und nun machen geschlossene Ländergrenzen einen Strich durch Lebenspläne und die berufliche Orientierung.

Sabbatical: Möglich, aber aufwändiger

Dabei erweist sich doch gerade die zeitliche Lücke zwischen Abitur und dem nächsten Karriereschritt als ideal, um eine Zeitlang im Ausland zu verbringen. Später, mit Familie und festem Job, sind Reisen im Sabbatjahr , dem „Sabbatical“ zwar auch noch möglich, aber wesentlich aufwändiger umzusetzen. Und emotional anders besetzt als die einmalige Chance, frei und ungebunden die Welt zu erkunden. „Dieses Gefühl wird die Abiturjahrgänge ’20 und ’21 die nächsten Jahre begleiten“, ist Möller überzeugt. Schließlich werden nur wenige das Gap Year nachholen können.

Wenn eine Auslandszeit wieder etwas Besonderes wird

Das erste Working Holiday-Abkommen zwischen Australien und Deutschland läutete um die Jahrtausendwende eine neue Ära der Jugendmobilität ein. Schließlich konnten Schüler und Studierende zum ersten Mal bis zu einem Jahr lang auf Reisen Geld verdienen und das jeweilige Partnerland entdecken.

Die Folge: Tausende machen sich jährlich auf den Weg in andere Kontinente. Vor allem wurden im Laufe der Jahre Auslandszeiten immer häufiger zum „Must Have“ im Lebenslauf. Schließlich attestieren Personaler den „Auslandszeit-Heimkehrern“ allgemein einen gereiften Charakter und ausgeprägte soziale Kompetenzen („Soft Skills“). Damit stiegen auch die Karrierechancen.

Die „Corona-Abiturjahrgänge“ lernen nun schmerzlich, was es bedeutet, wenn selbstverständliche geglaubte Umstände wegfallen. Häufig wird durch ein Fehlen von etwas erst deutlich, wie wichtig es doch eigentlich war. Die Zukunft wird zeigen, wie sich die jetzigen Abiturient*innen von den früheren Abiturjahrgängen in ihrer Selbständigkeit, Flexibilität oder Teamfähigkeit unterscheiden. Ganz zu schweigen von sehr naheliegenden fehlenden Kenntnissen wie die einer Fremdsprache.

Die aktuell fehlende Auslandsmobilität dieser Abiturjahrgänge wird laut Frank Möller jedoch auch einen gewichtigen Vorteil haben: „Der Jahrgang, der als erster wieder die eventuell unbeschwerte längere Auslandszeit antreten darf, wird dies ganz sicher mit mehr Dankbarkeit und Demut erfahren. Das Leben im Ausland mit bewussteren Augen wahrnehmen – und vielleicht weniger durch die Smartphone-Kameralinse – als vor der Pandemie“, hofft er.

Die Zukunft der Auslandszeiten wird sich verändern

„Wir gehen davon aus, dass die bisher bekannten Kombinationen aus Auslandszeiten und Ländern, sich verschieben und teils auch neue Konstellationen hervorrufen werden. Während vor der Pandemie Freiwilligenarbeit im „globalen Süden“ dominierte, rückt Europa deutlicher in den Fokus“. Ähnliches könnte bei Arbeitsaufenthalten gegen Entgelt möglich sein: Australien – das bisherige Hauptziel für Work & Traveller – wird die Grenzen für Jugendmobilität bis Ende des Jahres geschlossen halten. Daher könnten neue Orte in Europa ebenfalls von einer „Umverteilung“ einreisender Rucksacktouristen profitieren“.

Auch auf Anbieterseite ist Bewegung im Markt zu verzeichnen. „Einige größere Agenturen haben bereits den Markt verlassen, neue sind entstanden, aber auch etablierte Unternehmen passen sich der geänderten Nachfrage entsprechend an“, weiß Branchenexperte Möller zu berichten, ohne konkrete Anbieter bei Namen nennen zu wollen. „Jedoch ist auch für uns von der Initiative Auslandszeit ein guter Zeitpunkt gekommen, unsere bisherige Marktausrichtung zu hinterfragen und mögliche Anpassungen zu prüfen“ hält auch Möller strategische Veränderungen für sein Unternehmen für möglich.

 







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