Ausstellung im Heine-Institut: Annette von Droste-Hülshoff und das Rheinland
Düsseldorf – Mehrere längere Rheinland-Aufenthalte in den 1820er- und 1830er-Jahren führten Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) heraus aus der Beschränktheit und Enge der westfälischen Adelswelt in eine Welt, die Offenheit, Geselligkeit und geistige Freiheit für sie bedeutete. Hier taute sie emotional auf, hier fand sie Resonanz auf ihre literarischen Arbeiten und Unterstützung für ihre ersten Veröffentlichungsversuche. Von der Bedeutung des Rheinlandes für die Persönlichkeit und das Werk der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff handelt die Ausstellung „Reise nach dem Mond“, die vom 17. August bis 28. September im Heinrich-Heine-Institut, Bilker Straße 12-14, gezeigt wird.
„Die Droste“ tritt bei ihrer ersten Rheinland-Reise nach Köln 1825 in eine ihr noch fremde Welt ein und nimmt wissbegierig alle neuen Erlebnisse auf. Im Rheinland findet die Droste damit zumindest zum Teil eine Erfüllung ihrer großen „Sehnsucht in die Ferne“. So ist, entsprechend dem Karnevalsmotto 1825/26, ihre Teilnahme am Karneval 1826 in der Domstadt eine „Reise nach dem Mond“ gleich im doppelten Sinne. Und das Dampfschiff „Friedrich Wilhelm“, dessen Schiffstaufe die Droste bei ihrer ersten Rhein-Reise am 17. Oktober 1825 miterleben darf, steht auch symbolisch für das Reisen, für Bewegung und Veränderung.
Die bis dahin recht verschlossene und zurückhaltende Droste passt sich an die gesellige Art der Rheinländer an. So besucht sie bei ihrem ersten Aufenthalt in Köln mit ihrer Tante Betty von Haxthausen Bälle und Gesellschaften; sie tritt in geselliger Runde mit eigenen literarischen und musikalischen Beiträgen auf und schließt im Rheinland Freundschaften und Bekanntschaften. Betty von Haxthausen schreibt über sie: „Auch mir […] gefällt Nette bei näherer Bekanntschaft immer besser; sie mag wohl manche frühere Schwäche abgelegt haben und zeigt sich jetzt nur von einer wirklichen gutmüthigen und liebenswürdigen Seite; sie ist voller Gefälligkeit und Aufmerksamkeit für uns.“ Anna von Arnswaldt bemerkt ebenfalls die Veränderung: „Ich glaube wirklich, die hat den bösen Dämon in sich bezwungen, aber freilich nicht ohne Wunden davonzutragen. Und macht sie das nicht tausendmal interessanter, menschlicher und fähiger, eine solche Dichterin zu werden, als wenn sie die hehre, kühle unnahbare Jungfrau gewesen wäre, zu der die Nachwelt sie macht?“
Nicht umsonst wohl auch vergleicht die Droste in ihrem Romanfragment „Bei uns zu Lande auf dem Lande“ eine Rheinländerin, die in westfälischen Landadel eingeheiratet hat, mit einer „Burgundertraube, die in einen Pfirsichkorb geraten ist“: Westfälische Pfirsiche sind klein und trocken; von diesen hebe sich die Rheinländerin – die „gnädige Frau“ – mit ihrer südlichen Färbung, dunkeln Haaren, dunkeln Augen, ihrer geselligen Art und ihrem teils überschäumenden Temperament stark ab.
Anders als bei vielen Dichtern dieser Zeit hat Drostes Sympathie für das Rheinland ihren Hintergrund nicht in romantisch oder national geprägten Idealisierungen des „deutschen Stroms“. Sie hat sehr persönliche Gründe, ihre „Reise nach dem Mond“ – und sei es nur auf der Durchreise zum Bodensee – bis in die 1840er-Jahre zu wiederholen: Hier genießt sie den Austausch mit künstlerisch und literarisch interessierten Zeitgenossen aus dem Umkreis ihrer in Köln und Bonn ansässigen Verwandten, mit gebildeten und emanzipierten Frauen wie Sybille Mertens-Schaaffhausen und Adele Schopenhauer und mit Bonner Universitätsprofessoren. Ihre Gedichte und Erzählungen werden in diesen Kreisen mit großem Interesse aufgenommen, und besonders die Universitätsprofessoren Johann Wilhelm Joseph Braun und Eduard d’Alton sowie Adele Schopenhauer unterstützen sie durch kritische Anmerkungen und bei der Suche nach einem geeigneten Verlag für ihre erste Gedichtausgabe, die dann 1838 erscheint – allerdings nicht bei DuMont-Schauberg aus Köln, wie zunächst geplant, sondern beim Aschendorff-Verlag in Münster.
Die Ausstellung im Heine-Institut wurde gemeinsam mit dem Stadtmuseum Bonn und der Literaturkommission für Westfalen in Münster erarbeitet. Sie blättert Begegnungen und Erlebnisse der Dichterin während ihrer Reisen auf und fragt nach den Spuren dieser Reisen in ihrem Werk.
Gezeigt werden neben Handschriften und Erstausgaben Gemälde vom Rheinland und von Italien als einem bedeutenden Reiseland im 19. Jahrhundert und einem Ort der Sehnsucht, weiterhin Stücke aus der Mineraliensammlung der Droste (vorwiegend Muscheln und Steine), Bilder, Eintrittskarten und andere Materialien zum Kölner Karneval sowie das Modell des Dampfschiffs „Stadt Mainz“, mit dem die Droste in den 1830er- und 1840er-Jahren fuhr, um ins Rheinland oder in ihre Wahlheimat Meersburg am Bodensee zu gelangen. Dabei stehen nicht nur Stücke aus den großen rheinischen Archiven und Museen zur Verfügung, sondern auch selten gezeigte Leihgaben aus westfälischem Familienbesitz und aus den Münsteraner Bibliotheken und Archiven. Ein bislang wenig beachteter Aspekt im Leben und Werk der Zeitgenossin Heines – sie sind im selben Jahr geboren – gewinnt so Kontur und ermöglicht einen neuen Zugang zu „Deutschlands größter Dichterin“.