Rezension: Bosse – Taxi


26 Aug 2009 [14:44h]     Bookmark and Share


Rezension: Bosse – Taxi

Rezension: Bosse – Taxi



Live hat er bereits unter Beweis gestellt, dass die Titel des neuen Albums etwas taugen. Doch wie sieht es beim genauen Hinhören aus?

Artist: BOSSE

Title: Taxi

Homepage: http://www.axelbosse.de/

 

Schon 2005 überzeugte mich Axel Bosse mit seinem Album „Kamikazeherz“ – damals noch wild hin und hergerissen zwischen Rock, Pop, Schnulze und den unendlichen Dimensionen dazwischen. Auf seinem Weg von damals bis jetzt lag 2006 „Guten Morgen Spinner“, weniger wild, aber immer noch musikalisch etwas uneindeutig. Damit ist jetzt Schluss. 

Mit Taxi legt Bosse ein Album vor, in dem die Richtung klar scheint: Deutschsprachiger Indie-Pop, sauber, harmonisch, ohrwurmgefährlich und persönlich. Natürlich geht es um Beziehungen. Und um die Jugend. Um das Älterwerden. Auch um Weltansichten, das Suchen und Finden.

Bereits der erste Titel des Albums „3 Millionen“ nimmt den Hörer gefangen, rhythmisch eingängig und textlich zum hineinfühlen und sich wiedererkennen. Wer kennt es nicht, das Allein-Sein und die Suche nach dem einen unter vielen, der einen versteht? Bosse verpackt diese Suche durchaus geschickt in ein mitsingfähiges Gewand.

Mit „Sommer lang“ folgt ebenfalls ein Garant für stimmliche Einsätze jedes Publikums. Mir leider musikalisch etwas zu platt, etwas zu reduziert. Das einprägsame, mitreißende Moment, dass mich bei Bosse sonst so überzeugt, bleibt für mich in diesem Stück etwas zurück. Diese subjektive Einschätzung muss ich jedoch meiner Live-Beobachtung gegenüberstellen, die mir zeigte, dass der lange Sommer das Publikum durchaus begeistert und mitzureißen bereit ist.

Für mich offenbart „Taxi“ darüber hinaus aber wenig Lücken und lässt kaum Wünsche offen. Bosse weiß, was er tut, bringt seine Gedanken auf den Punkt. Er textet intim, unglaublich intensiv und ist dabei zu jeder Zeit lebensnah. Mit „Gegen Murphy“ plädiert er – interessanterweise verträumt bis melancholisch – für Hoffnung und Optimismus, gesteht sich mit „All die Dinge“ Fehler ein und den Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu können – wie so viele andere auch. „Tanz mit mir“ ist mehr als nur eine Einladung, es ist eine Aufforderung nach vorn zu schauen, das Leben zu genießen, sich zu bewegen, nie still zu stehen und allen Ärger und Frust wegzutanzen. „Wer löscht Dein Feuer? Wer macht Dich platt? Vergiss schnell das, was Dich kaputt macht. Dreh’ Deinen Po im Kreis bis Du von nichts mehr weißt.“ Recht hat er.

Mit „Liebe ist leise“ folgt für mich der nächste Höhepunkt des Albums. Der eingehende Bass, die zarten Streicher im Hintergrund und der Balladentext laden zum Mitfühlen ein. Bosse formuliert liebvoll und doch völlig ohne Kitsch eine Liebeserklärung, wie sie jeder gerne hören möchte. Von der bislang unbemerkten Liebe, die schon immer da war, aber eben ungehört. Denn „Liebe ist kein Rock ‘n Roll, Liebe ist leise.“

Dass Sebastian Madsen, die wild-laute Stimme der Madsen-Combo, ausgerechnet in der ruhigen, klaviergetragenen Ballade „Vereinfachen“ mitwirkt verwundert – aber überzeugt. Geistreicher Text mit starker Stimme erschleicht sich hier das Gehör und bleibt dort, wo es die Reflexion des eigenen Lebens in Gang setzt und die Frage stellt, welche Steine sich jeder einzelne selbst in den Weg legt.

Poppig ruhig ist „die Kunst des Verlierens“ bevor mit „Alter Strand“ erstmals der indie-typische Mitwipp-Takt erklingt. Und während Bosse in meinem persönlichen Favoriten seine Jugend am FKK-Bereich und dem alten Strand revue-passieren lässt, sein Älterwerden erkennt und sich zum besten Bier der Welt zurück sehnt, bleibt dem Hörer nichts anderes übrig als das Wippen und Tanzen und Mitsingen. Denn der alte Strand reißt mit und verbreitet gute Laune – trotz des leicht melancholischen Blicks in die Vergangenheit.

„Irgendwo dazwischen“ ist ein Lied für Studenten und andere, die ihre Heimat hinter sich lassen und ihren Weg suchen, obwohl jeder Schritt einen kleinen Stich ins Herz mitzubringen scheint. Aber „wir alle sind Matrosen, unser ganzes Leben auf der Suche“, erklärt in „Matrosen“ schon sofort im Anschluss, dass jede Reise im eigenen kleinen, ganz persönlichen Hafen, endet. Es bleibt also noch Hoffnung. Zum Glück.

Zum Abschluss der Taxifahrt, die für mich noch länger hätte sein dürfen,  packt Axel Bosse noch einmal alle Melancholie zusammen. Starke Streicher, Texte über Sorgen und diese eine Bezugsperson verabschieden den Hörer in „Augen schließen“ in sein eigenes Leben, in das er nun voller neuer Ideen und Gedanken zurück kehrt.

Bosse hat mit „Taxi“ ein konstantes, glaubwürdiges Album geschaffen, das mehr zu bieten hat als die bloße Beschallung gegen die Langeweile. Wie sehr er hinter seinen Texten steht, wie authentisch er seine Musik lebt und wie gerne er sein Leben mit der Welt teilt, wird live deutlich, wo er neben seinen Liedern auch die Geschichte mit dem Publikum teilt. Die Geschichte seines Lebens, die Geschichte seiner Musik.

Für Freunde deutscher Pop- Rock oder Indiemusik ist „Taxi“ kaum umgänglich – und jedes Hören lohnt.

 







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