Brasilianische Fluggesellschaft baut Jatropha curcas an. Davon erhofft sich die südamerikanische Airline einen möglichen Rohstoff für Biokerosin. Unternehmen wie Air BP und Airbus forschen ebenfalls an dem Projekt.
Frankfurt/ Sao Paulo – TAM Airlines setzt die Suche für nachhaltigen Treibstoff fort und fördert Machbarkeitsstudien, die sich mit der Wertschöpfungskette aus landwirtschaftlichem Anbau, industrieller Verarbeitung und großflächigem Vertrieb von neuen, erneuerbaren und effektiven Treibstoffmöglichkeiten für die Luftfahrt beschäftigen. Dazu gehört ein Projekt zur Herstellung nachhaltigen Biokerosins aus verschiedenen Rohstoffen, unter anderem aus der Purgiernuss, in Fachkreisen auch „Jatropha curcas“ genannt.
Die technische Einheit der TAM in der brasilianischen Stadt São Carlos bei São Paulo, verfügt zur Zeit über ein Experimentier-Anbaufeld für Jatropha curcas, wo verschiedene Variationen dieser Pflanze auf ihre Nutzbarkeit im kommerziellen Anbau hin geprüft werden. Biokerosin aus dem Öl der Pflanze, die in verschiedenen brasilianischen Regionen geerntet wird, kam in einer 50/50-Mischung mit herkömmlichem Kerosin bereits für einen Experimentierflug der TAM vom November 2010 zum Einsatz.
Die Studie von TAM und JETBIO baut auf Partner wie Air BP, Airbus, Rio Pardo Bioenergia, möglichen Raffinerien, Ingenieurunternehmen und der Universität in Yale. Die Universität analysiert die Lebenszyklen der verschiedenen Rohstoffe, um die Emissionen und sonstige Umweltauswirkungen zu vergleichen.
Jatropha kann auch auf ertragsschwachen Böden angebaut werden. Die Pflanze konkurriert daher nicht direkt mit Flächen, die zum Beispiel für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden können. Der Anbau von Jatropha kann den Landwirten damit also sogar eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen.
Im Juli 2008 lag die weltweite Anbaufläche bei knapp einer Million Hektar. Etwa 80 % dieser Fläche entfallen auf die asiatischen Länder, insbesondere Indien, China und Indonesien. In Südamerika und Afrika erfährt der kommerzielle Jatropha-Anbau bereits seit Jahren einen Boom. Neuen Studien zufolge besteht weltweit ein Anbaupotenzial von zirka 300 Millionen Hektar.
„Wir haben eine neue Phase des Projekts erreicht. Im Rahmen unseres Jatropha-curcas-Anbaus gibt es jetzt Machbarkeitsstudien zur Technik und zur Wirtschaftlichkeit mit dem Ziel, in Brasilien eine integrierte Wertschöpfungskette zu implementieren“, sagt Paulus Figueiredo, Energy Manager der Fluglinie. Durch diese Zusammenarbeit sammeln wir Wissen zur Technik, Infrastruktur, Produktionsgröße sowie der kommerziellen Machbarkeit der Biokerosin-Produktion.“
Die Energiealternative für die Luftfahrt soll teil- und schrittweise in Linienflügen zum Einsatz kommen. Dazu muss die Entwicklung des Geschäfts vom Anbau bis zum Vertrieb an den Flughäfen gewährleistet sein. Daher haben die beteiligten Unternehmen beschlossen, in Studien zur wirtschaftlichen Machbarkeit und zur Nachhaltigkeit der Produktion zu investieren.
Bio Ventures Brasil, das JETBIO angeschlossen ist, arbeitet an der Entwicklung der kommerziellen Produktion von Jatropha curcas und wird dabei von einem Fonds der Inter-American Development Bank unterstützt. Zu den weiteren wichtigen Unterstützern gehören der Flugzeughersteller Airbus und Air BP, die auf Flugzeugtreibstoff spezialisierte Abteilung von BP, einem der größten multinationalen Unternehmen im Energiesektor.
„Die Ergebnisse der Studie werden uns helfen, die Auswirkungen einer umfangreichen Nutzung von Jatroha-curcas-Kerosin auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft abzuschätzen – und möglicherweise auch von anderen Quellen“, sagt Paulus Figueiredo. „Am Ende der Investition steht eine weitere Errungenschaft der Luftfahrt, nämlich die Minimierung der Kohlendioxid-Emissionen und die Erfüllung internationaler Ziele, was den Ersatz fossiler Brennstoffe durch nachwachsende angeht.“
Die IATA (International Air Transport Association) erwartet, dass bis zum Jahr 2017 zehn Prozent des gesamten Treibstoffs, den Fluggesellschaften weltweit verbrauchen, aus erneuerbaren Energien kommt.
Zu den nächsten Phasen des Jatropha-curcas-Biokerosin-Projekts gehören die Bewertung und die Auswahl der besten Variationen dieser Pflanze, die dann in größerem Maßstab angebaut werden. Neben dem experimentellen Anbau in São Carlos hat Bio Ventures Brasil gemeinsam mit Rio Pardo Bioenergia bereits im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul mit dem Anbau begonnen. Sollte die Produktivität sich als zufriedenstellend erweisen, kann der Anbau auf bis zu 30.000 Hektar erweitert werden. Bio Ventures erwartet, im Jahr 2014 mit der kommerziellen Biokerosin-Produktion beginnen zu können.
Auch andere Airlines experimentieren bereits seit einigen Jahren mit Jatropa. Vorreiter bei Tests und in der Forschung sind die neuseeländische Air New Zealand in Kooperation mit Boeing sowie amerikanische Airlines wie Continental. Zwischen Hamburg und Frankfurt hat die Lufthansa 2011 ein prestigeträchtiges Projekt eingeleitet, bei dem der Biotreibstoff dem klassischen Kerosin beigemischt wird.
Nach wie vor besteht für den Biotreibstoff noch hoher Forschungsbedarf und auch der groß angelegte Anbau ist nicht unumstritten. Die Schweizer Zeitung Die Wochenzeitung (WOZ) analysierte die Vor- und Nachteile: Die magere Ausbeute pro Hektar und der hohe Energieaufwand für Kunstdünger und die Weiterverarbeitung der Samen lassen das Allheilmittel zweifelhaft erscheinen. „Man muss Jatropha als eine Pflanze für lokale Anwendungen im Kleinen sehen, für Lampenöle, Seifen und Ähnliches. Da ist sie sehr sinnvoll“, wird eine Wissenschaftlerin zitiert. „Aber im großtechnischen Maßstab kann es schnell in eine ungewollte Richtung gehen.“
Foto: Carstino Delmonte