Schon im Urlaub Mängel reklamieren und dokumentieren


18 Mrz 2013 [16:01h]     Bookmark and Share


Schon im Urlaub Mängel reklamieren und dokumentieren

Schon im Urlaub Mängel reklamieren und dokumentieren



Wie Rechte bei einem „Urlaubsreinfall“ abgesichert werden können

Dortmund – Im lang ersehnten Osterurlaub werden manche Reisende erst richtig urlaubsreif, denn dreckige Hotelzimmer, unzureichende Hygiene oder mangelhafter Service können die Urlaubsfreude trüben. Was Urlauber in solchen Fällen beachten müssen, um ihr Recht zu bekommen, verraten zwei Tourismus-Dozenten der International School of Management (ISM).

Wichtig ist vor allem, dass die Reisemängel sofort gemeldet werden – andernfalls haben Urlauber schlechte Chancen, einen Teil der Kosten erstattet zu bekommen. Denn der Reiseveranstalter muss die Möglichkeit haben, das bestehende Problem noch während der Urlaubszeit zu lösen. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass alle Mängel sofort gemeldet und genauestens dokumentiert werden“, erklärt Prof. Dr. Bernd Schabbing. „Außerdem sollten betroffene Urlauber
kontinuierlich nachhaken, ob an der Verbesserung des Zustandes gearbeitet wird. Im Idealfall können Urlauber nachweisen, welche Schritte sie unternommen haben, um den Mangel beseitigen zu lassen – beispielsweise durch E-Mails an den Reiseveranstalter.“ Reklamationen müssen unbedingt an die richtige Person geschickt werden. „Tritt zum Beispiel bei einer Pauschalreise im Hotel ein Mangel auf, ist nicht das Hotel, sondern der Reiseveranstalter juristischer
Ansprechpartner. Deshalb müssen alle Beschwerden direkt an ihn gerichtet werden, auch wenn man an der Rezeption schon Bescheid gesagt hat“, so Schabbing weiter. Bei vielen Reiseveranstaltern ist an zwei bis drei Tagen pro Woche ein Vertreter vor Ort im Hotel, den betroffene Urlauber direkt ansprechen können.

Wer eine Pauschalreise gebucht hat, hat im Falle erheblicher Reisemängel einen großen Vorteil, denn es gibt nur einen Ansprechpartner, an den eine Beschwerde gerichtet werden muss, eben der Reiseveranstalter. Schwieriger wird es für Urlauber, die ihre Reise aus einzelnen Bausteinen zusammengesetzt haben. „Wer zum Beispiel bei einer Rundreise verschiedene Hotels separat bucht und An- sowie Abreise direkt bei der Airline, hat in jedem Fall schon mal verschiedene Ansprechpartner. Je nach Situation – zum Bespiel eine Großbaustelle vor dem Hotel und Flugausfall auf der Rückreise – müssen sich die Betroffenen deshalb auch an unterschiedliche Kontaktpersonen richten, was automatisch mit Mehraufwand verbunden ist.“ Hinzu kommen verschiedenste Regelungen, wie beispielweise EU-Richtlinien. Es gibt aber auch hier gewisse Sicherheiten und Kundenrechte: „Hat ein Flugzeug mehr als zwei Stunden Verspätung,
also eine erhebliche Verspätung, oder wird ein Flug sogar komplett annulliert, haben Urlauber Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Abhängig
von der Flugdauer, also Kurz-, Mittel- oder Langstrecke, liegen diese Zahlungen zwischen 250 und 600 Euro“, erklärt Prof. Dr. Willi Joachim, LL.M. Er unterrichtet unter anderem Event- und Tourismusrecht an der ISM. Bei Nichtbeförderung, Überbuchung, Annullierung und erheblicher Verspätung können nach dem
Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (EU) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Ansprüche geltend gemacht werden. Bei verspätetem Abflug gewährt die Verordnung Betreuungsleistungen wie zum Beispiel eine Hotelübernachtung sowie Anspruch auf Erstattung des Reisepreises. Zum einfachen und besseren Verständnis erläutert Joachim tabellarisch wie folgt:

Reisedistanz           Verspätung                  Erstattungsanspruch
Bis zu 1.500 km      Mindestens 2 Stunden  250 Euro
Bis zu 3.500 km      Mindestens 3 Stunden  400 Euro
Mehr als 3.500 km  Mindestens 4 Stunden   600 Euro

Aktuell hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil (Aktenzeichen C-11/11) den Verbraucherschutz der Flugreisenden erneut gestärkt: Werden Anschlussflüge aufgrund von Verspätungen verpasst, ist im Falle einer Ausgleichszahlung der Zeitpunkt der verspäteten Ankunft am Endflughafen relevant. Bislang galt nur die Höhe der Verspätung, die ein Flugzeug beim Abflug vom Start- oder Zwischenlande-Flughafen hat. Dass dadurch aber womöglich weitere
Anschlüsse verpasst und sich die Ankunft am Zielflughafen deshalb noch viel mehr verzögert, wurde bislang nicht berücksichtigt. Die Richter des höchsten europäischen Gerichts stärken – so Joachim – abermals den Verbraucherschutz. Inwieweit die betroffenen Airlines damit umgehen und es eventuell zu einer Flugpreiserhöhung kommt, bleibt abzuwarten.

Grundsätzlich sollten sich Urlauber aber bewusst fragen, ob es sich bei einem empfundenen Reisemangel auch um einen rechtlich einklagbaren Mangel handelt oder ob die eigenen Ansprüche an die Gegebenheiten vor Ort und das Preis-Leistungs-Verhältnis angepasst werden müssen. „Unfreundliches Personal ist zwar ärgerlich, aber es gibt keine Freundlichkeitsgarantie. Eine Sternekategorie ist keine automatische Absicherung, dass das Hotel in einem hervorragenden
Zustand ist. Und All Inclusive heißt nicht, dass jedes Getränk der Welt verfügbar ist“, so Schabbing. „Urlauber sollten sich also fragen, was sie zum Beispiel vom Buffet erwarten können. Bei Reisen im Niedrigpreissegment ist Vorsicht angesagt, denn hier wird gerne versucht, Kosten so gering wie möglich zu halten. Das Buffet ist dann vielleicht nicht ganz so üppig, was man in diesem Fall aber eben auch nicht einklagen kann, wenn bestimmte Mindestleistungen erbracht
sind.“

Anders ist die Sachlage im Falle einer Baustelle. „Wenn das Hotel Kenntnis von erheblichem Baulärm hat, müssen die Gäste informiert werden – andernfalls können die Urlauber meist Ansprüche geltend machen. Außerdem ist ein Mangel immer dann vorhanden, wenn konkrete wesentliche Bestandteile der gebuchten Reise ausfallen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Wanderreise gebucht wurde und sich dann vor Ort der Berg als gesperrt entpuppt“, sagt Joachim. Ein wichtiges Thema vor allem für deutsche Urlauber sind die hygienischen Bedingungen. Es ist nach Auswertung des Internetportals Holidaycheck sogar der Reisemangel Nummer eins der deutschen Urlauber. Hier muss aber zwischen Dingen, die „unschön“ sind, und Dingen, von denen eine gesundheitliche Gefährdung ausgeht, unterschieden werden. So ist Staub auf dem Hotelschrank noch kein Reisemangel, bei großflächigem Schimmel oder Fäkalienresten im Bad, etwa im Zahnputzbecher oder in den Handtüchern, ist die Aussicht auf Anerkennung als Mangel aber ebenso groß wie bei verdorbenen Lebensmitteln oder gar Schimmel im Hotelessen. Ähnlich ist die Lage bei der technischen Ausstattung, immerhin Top-Mangelgrund Nummer zwei bei den deutschen Urlaubern.

Aktive Steckdosen, aus denen lose, abisolierte Stromkabel schauen, sind lebensgefährlich und daher natürlich ein relevanter Mangel. Ob man nun aber mindestens vier oder sechs Steckdosen im Hotelzimmer oder Bad erwarten darf, hat eher weniger Aussicht auf Erfolg vor Gericht oder beim Veranstalter. Dabei muss auch beachtet werden, dass die Sterne-Kategorien für Hotels, die z.B. die Ausstattung widerspiegeln, im Ausland nicht immer mit den Kategorien in Deutschland vergleichbar sind, weil die Sterne-Klassifizierung nicht in jedem anderen Land auch so wie in Deutschland gehandhabt wird.

Foto: Edgar Delmont







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