Skandinaviens größte Hotelkette verbannt Pornografie aus ihrem Pay-TV-Angebot und will sich mit dieser Gäste-Gängelung ein Gutmensch-Image verpassen.
Oslo, Norwegen – Petter Stordalen, alleiniger Eigentümer von Nordic Choice Hotels, hat sich dazu entschieden, Pornofilme aus dem Pay-TV-Angebot aller 171 Hotels des Unternehmens in Skandinavien zu entfernen. In seinem „Exklusivhotel“ The Thief in Oslo ersetzt er die Pornokanäle mit einem Angebot an zeitgenössischer Videokunst. Der einzelne Kunde wird dabei nicht gefragt, ob er diese Alternative jederzeit schätzt. Außerhalb des Landes können Kunden der Kette weiterhin nackte Tatsachen genießen.
„Wir sind der Überzeugung, dass es ein selbstverständlicher Bestandteil unserer sozialen Verantwortung ist, keine Branchen zu unterstützen, die zum Menschenhandel beitragen. Daher wird dieser Beschluss mit sofortiger Wirkung umgesetzt,“ meint Petter Stordalen mit der Diktion eines Amtsrichters.
Mit seinem „Beschluß“ versucht der Hotelkettenchef sich als besonderer Menschenfreund zu positionieren: Aus allem Übel der Welt hat sich Stordalen damit eines willkürlich herausgepickt, dass jedoch mehr persönliche Befindlichkeiten vermuten lässt als allein der genannte Schutz von Menschen. Betrachtet man die Produktionsweisen zahlreicher in den Nordic Choice Hotels genutzter Produkte von der Textilherstellung bis zu Fischfangmethoden oder der Nutzung von mit fragwürdigen Methoden in Asien produzierten Computern oder anderen Elektrogeräten, dürfte dem Hottelier wohl schnell ein Mangel an Konsequenz vorgeworfen werden können. Und das zu Lasten seiner Gäste. Denn der Gast steht bei der Begrenzung des TV-Programms sicherlich nicht im Mittelpunkt.
Ein vernünftiger Weg gegen Menschenhandel hätte auch die Unterstützung redlicher Pornografieproduzenten oder die Nutzung zertifizierter und überprüfter Filme sein können. Inkonsequent an der Gängel-Maßnahme ist auch die Tatsache, dass die Hotels weiterhin WiFI und Internetzugang anbieten, obwohl gerade heutzutage die meisten Pornos hier konsumiert werden – und dies eben auch in den Hotelzimmern von Nordic Choice.
In Oslos „The Thief“ brachte das Unternehmen das Konzept noch einen Schritt weiter und bietet eine Alternative zum Sex-TV: Weltweit bietet The Thief im Rahmen seines interaktiven Fernsehangebotes in allen Zimmern „Kunst auf Abruf“ mit einer grossen Auswahl an hochwertiger Videokunst an.
Nordic Choice Hotels sieht seine Maßnahme jedoch offenbar mehr als ernstzunehmenden und gerechfertigten Schutz denn als Reglementierung seiner Gäste. Das Vorgehen wird eingereiht in die Vorreiterrolle des Unternehmens bei anderen Gutmensch-Aktionen aus der Vergangenheit: Im Jahr 2006 hat das Unternehmen weltweit ein Rauchverbot in allen Zimmern eingeführt. Seit 2008 finanziert es im Rahmen einer Kooperation mit der Regenwald-Stiftung die Erhaltung von Regenwald. Im Februar 2010 wurde das Bio-Frühstück eingeführt und zum Jahresende 2010 trugen sämtliche Hotels das ISO-Umweltzertifikat. Und nun also Kunst statt Pornoangebot für die teuren Gäste.
Das grösste Hotelunternehmen Skandinaviens kollaboriert nach eigenen Angaben seit 2008 mit UNICEF. 2012 stimmten über 2.500 Mitarbeiter der Hotelkette dafür ab, das Projekt „Free to grow“, das sich gegen den Menschenhandel engagiert, zu unterstützen. Dabei geht es insbesondere um den Schutz von Kindern, die Opfer sexueller Ausbeutung beziehungsweise sexuellen Missbrauchs wurden. Diese wirklich guten Ziele werden mit dem neuesten Beschluss vorerst gekrönt.
Nordic Choice Hotels ist Skandinaviens grösste Hotelgruppe und verfügt über 171 Hotels und 12.000 Angestellte in Skandinavien und dem Baltikum. Das Unternehmen vermarktet die Ketten Comfort, Quality Hotels, Quality Resort, Clarion Collection, Clarion und Nordic Hotels & Resorts.
Foto (Archiv): Edgar Delmont