Gran Canaria, die drittgrößte Kanareninsel, trumpft mit Urlaubsmagnet Maspalomas und einer vegetationsreichen Vulkanlandschaft, die sich bis zu den 1949 m des Gipfels des Pico de las Nieves hochzieht.
von Petra Sparrer, Koeln –
Strandferien im Pauschalhotel und Ausfluege ins Inselinnere auf kurvenreichen Bustouren sind hier jedoch nicht alles. Man kann die Insel ganz individuell entdecken, ohne deswegen gleich campen, wandern oder biken zu muessen, wenn man nicht moechte. Ein bisschen Verzicht auf Komfort tut dennoch ganz gut. Am besten nimmt man sich in der Hauptstadt Las Palmas eine kleine Pension, kauft fuer das Picknick am Strand ab und zu in der Markthalle ein, faehrt mit einem Mietwagen oder mit oeffentlichen Bussen, folgt nach Lust und Laune seinen Sinnen, – schlemmt also und mischt sich unter das Volk. Das alles ist zu jeder Jahreszeit machbar, in der sommerlicher Hitze geht es jedoch ein wenig langsamer.
Wir hatten das Privileg, Isidro Ramos zu treffen, 58 Jahre, lokale GroeSSe und zuweilen auch Fremdenfuehrer. Die Insel wird oft als „Miniaturkontinent“ bezeichnet, sagt er uns, aber eigentlich sei sie „so vielfaeltig wie die Stadt London“ und auch die Menschen hier seien inzwischen alle globalisiert. Da wir uns weder staedtische Hektik, noch Strandschlaefrigkeit vorgestellt hatten, folgen wir Isidro zunaechst aus Las Palmas heraus zum Mittagessen im Jardin Canario und einem Besuch im botanischen Garten (Buslinie 58, Richtung Tafira Alta). „Was Galapagos fuer die Erforschung der Tierwelt bedeutet, ist Gran Canaria fuer die Pflanzenwelt“. Wir hoeren kaum hin, was Isidro uns sagen will. Palmen, Drachenbaeume, Kandelaberkakteen und nochmals Kakteen, ein kleiner Lorbeerwald und eine Steilwand veranschaulichen ein wenig die Vielfalt der verschiedenen Vegetationsstufen. Isidro hat uns trotzdem auch etwas aus seinem eigenen Garten mitgebracht, denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen: Die Zutaten fuer eine scharfe Sauce, von der man sich gern vorstellen wuerde, dass schon die kanarischen Ureinwohner sie mit den salzigen Runzelkartoffeln gegessen haetten. Stimmt natuerlich nicht, aber heute kennt das Rezept fast die gesamte globale Urlaubergemeinde. Allerdings nehmen sich die meisten bereits fertig abgefuellte Glaeser mit nach Hause. Wir nicht: Fuer Mojo verde reibt man im Moerser 2 Bund Koriander, 5 Knoblauchzehen, 2-3 Prisen Meersalz, 1 Chilichote und verruehrt dies mit 0.5 Liter Olivenoel. Fuer die pikantere rote Variante (Mojo rojo oder salsa picante) braucht man 3-4 rote Pepperoni, eine ganze Knoblauchknolle, Paprika und geroesteten Kuemmel. Gran Canaria kann sehr scharf schmecken und gehoert zum guten Ton, ueber die Mengenverhaeltnisse und Zutaten zum Abschmecken, wie vielleicht etwas Safran oder WeiSSwein, zu philosophieren. Jedenfalls passen die Salzpellkartoffen mit Mojo zu fast jeder Speise. Man kann sie zu Vieja probieren, einem der bekanntesten Fische auf Gran Canaria oder zu Kaninchen in WeiSSweinsauce mit viel Pfeffer und Knoblauch (Canejo Salmorejo).
Siesta vorbei und genau das richtige Licht fuer den Ausblick auf die Caldera de Bandama von dem Vulkankegel des Pico Bandama. Hier ist die vulkanische Entstehung der Insel besonders anschaulich: Weit schweift das Auge ueber den Kraterkessel mit 1 km Durchmesser und 230 m hohen Waenden, bei guter Sicht bis zur Kueste, nach Las Palmas und nach Telde. Etwas Kultur gefaellig? Isidro moechte uns nach Telde fuehren, in die Basilika San Juan Bautista. Sie stammt aus dem fruehen 16. Jh. und beherbergt ein Triptychon alter flaemischer Meister (von 1530), vermutlich aus Bruessel. Die fuenf Darstellungen aus dem Marienleben, integriert in einen barocken Aufsatz, gelten als das wertvollste Kunstwerk der gesamten Kanaren und zeigen sogar eine Beschneidungsszene. Auch die Christusfigur in dieser Kirche ist ein frueher Kunstimport. Sie kam 1525 aus Mexiko nach Telde, wurde dort von Indios aus Maismaschee hergestellt und wiegt nur erstaunliche 6,5 kg. Es lohnt ein Bummel durch die Altstadtviertel San Juan und San Francisco mit groSSzuegigen alten Haeusern einflussreicher Familien. Telde ist aelter als Las Palmas und steht seit 1981 komplett unter Denkmalschutz. Viel SpaSS macht der Besuch der Kanarienvoegel und Papageien in einem huebschen kleinen Park, einen Block hinter der Basilika. Hier koennte man lange verweilen, doch wir haben ja auch noch ein Abendprogramm mit Isidro.
In Las Palmas bleibt uns eine Stunde zum Duschen und Umziehen und dann treffen wir uns mit Isidro zu einem Konzert im Auditorium Alfredo Kraus, benannt nach dem auf Gran Canaria geborenen Tenor. Gran Canarias philharmonische Gesellschaft wurde bereits 1845 gegruendet und ist somit die aelteste Spaniens. „Wir lieben klassische Musik hier auf der Insel schon als Kinder“, schwaermt Isidro und zaehlt uns zahlreiche Veranstaltungen auf, die hier eine lange Tradition haben – das kanarische Musikfestival, das Opernfestival, das Festival de Zarzuela, das Gitarrenfestival. Wir waeren gern jedes Mal dabei gewesen. Es ist ein heiSSer Tag und wir verbringen die Pause auf der zum Meer gewandten Terrasse. Vom leisem Rauschen des Wassers begleitet, beratschlagen wir unsere Plaene fuer die Nacht. „Ir de Tapas“, sagt Isidro sofort und schlaegt gleich ein paar Tapas-Bars vor, wo es Koestlichkeiten geben soll, wie Ziegenkaese mit Marmeladensauce, vor allem aber auch viele Leute und viel Ambiente. Das Konzert geht weiter und wir genieSSen doppelt, schon in Vorfreude auf eine richtige „Marcha“ von Bar zu Bar mit kuehlem Bier, Jamon serrano, Papas arrugadas mit Mojo, Calamares, Pimiento frito, gebratene Pfefferschoten, Tortilla. Wir stellen dann fest: Die Geraeuschkulisse in einer richtig vollen spanischen Bar ist auch ein akustisches Erlebnis. Die Nachtischspezialitaet Musse de Gofio – eine Art Nougat aus gemahlenem Mais und Zuckerrohrhonig – moechten wir unbedingt noch probieren. Und wenn es um 2 Uhr morgens im Stehen ist. Noch zwei weitere Stunden und wir muessen verstehen, dass Isidro uns morgen nicht begleiten wird.
Am naechsten Morgen haben wir sie, die Strandschlaefrigkeit und wir ruhen uns erst mal beim Baden aus, diesmal nicht an der Playa de las Alcaravaneras direkt vor der Stadt, sondern an der ruhigeren und laengeren Playa de las Canteras. Das Nachtleben in der Altstadt Triana/Vegueta kennen wir nun schon ein bisschen und die ganze Stadt wartet noch auf Entdeckung – die Kathedrale Santa Ana, der Yachthafen, das kanarische Museum und das Kolumbushaus. Wir haben jedoch gehoert, dass es vor Las Palmas eine aeltere Inselhauptstadt gab und auch die Altkanarier gehen uns nicht aus dem Kopf. Also fahren wir am Nachmittag nach Galdar. Waere auch schoen, einfach einmal hier zu uebernachten, denn es gibt verlockende Bars und einen netten Markt am Morgen. Galdar war Sitz des Guanarteme, des Stammesoberhaupts der Altkanarier, der 1482 von den Spaniern im Schlaf ueberrumpelt und gefangen genommen wurde. Man schickte ihn an den spanischen Hof und er war so beeindruckt, dass er sich taufen lieSS und fortan Guanarteme Fernando mit den Spaniern kollaborierte. So wurde die bisherige Hauptstadt der Altkanarier mit ihren StraSSen, Palaesten und Hoehlenwohnungen zur ersten spanischen Hauptstadt auf Gran Canaria.
Heute treffen sich hier die Jugendlichen unter den groSSen Lorbeerbaeumen auf dem Platz vor der Kirche Santiago de Los Caballeros und dem Rathaus mit einem imposanten Drachenbaum, der 1718 gepflanzt worden sein soll. Die Kirche wurde ueber dem Ort des frueheren Palast des Guanarteme Fernando erbaut und in ihrem Inneren steht noch ein Taufbecken aus gruener Keramik, an dem auch viele unfreiwillige Altkanarier zu Christen getauft wurden. Auf deren Spuren begeben wir uns nun wenige Schritte weiter in die Cueva pintada (geoeffnet: Di-Sa 9.30 bis 18.30 Uhr) und tauchen bei einer multimedialen Fuehrung ab in die archaische Welt der kanarischen Ureinwohner. Auf 24.000 Quadratmetern legten Archaeologen hier 50 Haeuser aus der Zeit vom 6. bis 16. Jh. frei. Zu sehen sind vorwiegend Fundamente und Mauern. In diese Anlage integriert sich auch die mitgeometrischen Mustern verzierte vorspanische Hoehle Cueva Pintada, einer der wichtigsten archaeologischen Funde im atlantischen Raum. Auf die Darstellungen des harten laendlichen Lebens im Wohnhaus des bekannten oertlichen Malers Antonio Padron, einige Schritte von der Plaza entfernt, haben wir nach unserer Begegnung mit den Ureinwohnern erst mal keine Lust und fahren statt dessen lieber noch mal hinaus in die freie Natur. Wir baden in der Felsbucht La Guancha und sind froh, dass wir nicht mehr in Hoehlen leben muessen, auch wenn es vermutlich schoen kuehl war…
Praktische Hinweise:
Pensionen in Las Palmas:
Pension Alcaravaneras, C/. Luis Antunez, 22, 35006, Las Palmas de Gran Canaria, Tel. 0034 928 248 914, Fax: 0034 928 248 914, reception@canaryhostel.com, www.canaryhostel.com, nur 50 m vom Strand, mit Sonnendach (2 Sterne) Weitere unter: www.grancanaria.com.
Pension Perojo, C/. Perojo, 1, 35003 Las Palmas de Gran Canaria, Tel. 0034 928 371 387, mit Terrasse (1 Stern)
Doch ein bisschen Luxus und Ruhe: Finca Las Longueras, 35480 Agaete, Tel. 0034 928898145, Fax: 0034 928 898752. reservas@laslongeras.com, www.laslongueras.com, Idyllisch gelegen, mit Swimmingpool.
Tapas-Bars in der Altstadt Vegueta-Triana: La Barberia, C/ Mendizabal, 14, Tel. 928 334 627.
Macabro, C/ La Pelota, 18, Tel. 928 321 728.
El Herreno, C/ Mendizabal, 5, Tel. 928 310 513.
Siete Viejas, C/ La Pelota, 6.
La Chascona, C/ La Pelota, 9.
Infos zum Wandern auf Gran Canaria: http://www.grancanaria.com/patronato_turismo/1304.0.html
Adressen fuer gefuehrte Wanderungen und Bike-Touren: www.free-motion.net, www.canariaventura.com, www.happy-biking.com, www.limoniumcanarias.com