Lokale Lebensart und innovative Produktideen
Durch die Blaetter des Maulbeerbaums gleiten die Sonnenstrahlen ueber die Kuerbisse, die zum Trocknen auf der Veranda liegen. Chachacha, Chachacha trommelt es aus dem Haus. Pause. Kubanische Rhythmen, dann wieder Brasilianische. MitreiSSend! Man beginnt gleich, sich zu bewegen, schwingt mit, genieSSt den Rhythmus. Allerdings nicht auf Kuba, sondern in Palau-del-Vidre. So heiSSt das suedfranzoesische Dorf, wo der Musiker Vincent Choblet und seine Frau Ursula ihre „Ferme musicale“ – musikalische Farm – betreiben.
Wie schon so viele Kuenstler und Lebenskuenstler vor ihnen, zogen das Licht, die Landschaft und das milde Klima des Languedoc Roussillon sie magisch an. Sie bewogen schon Fauvisten wie Henri Matisse, Andre Derain und viele andere Kuenstler zu laengeren Aufenthalten in Colliure. Sie zogen die Surrealisten nach Perpignan und machte Ceret zu einem fuer Kuenstler magischen Ort. So authentisch wie damals erlebt man das Languedoc heute nur noch in den kleinen Orten im Hinterland, wo die Menschen den groeSSten Teil des Jahres unter sich sind. Wie frueher von der Landwirtschaft zu leben, ist hier nicht leicht. Deshalb trifft man hier auf eine neue Unternehmergeneration mit innovativen Ideen.
Musikalische Kuerbisse
Die Deutschschweizerin Ursula lernte ihren Mann 1989 bei einer Fernreise auf Java im Bus kennen. Der Informatiker Vincent hatte in Paris am Centre americain Percussion, Klavier und Harmonielehre studiert. Auf seinen Reisen besuchte er die Voelker der Welt, um ihre Musikinstrumente kennen zu lernen. Heute arbeiten Vincent und Ursula auf ihrem Grundstueck in Palau-del-Vidre im Departement Pyrenees Orientales als Lehrer: Ursula baut Obst, Kraeuter und Kuerbisse an. Ihr Wissen ueber Pflanzen vermittelt sie an die Kindergarten- und Grundschulkinder der Umgebung.
Auch Vincent nutzt die selbst gezuechteten Kuerbisse und Kalebassen paedagogisch: „Haelt man zwei Kuerbishaelften ueber eine Schuessel mit Wasser, hoert man sofort, was fuer wundervolle Resonanzkoerper sie sind“. Der leidenschaftliche Sammler mit Rhythmus im Blut kann auf allen seiner ueber 30 Musikinstrumente spielen. Viele Instrumente hat Vincent aus getrockneten und lackierten Kuerbissen selbst gebaut: „Manchmal erzeugen ganz einfache Hilfsmittel wie Angelschnur oder Rillen erstaunliche Klaenge“, laechelt er und schlaegt diesmal einen Rumba an. Aus Kuerbissen mit der langen, schlangenartigern Form der Art Lagenaria longissima lassen sich sogar Floeten herstellen.
Vincent ist als Lehrer fuer Percussion und Steel Drum kein unbeschriebenes Blatt. Er gibt Kurse an der Casa Musicale in Perpignan und ist durch seine Live-Auftritte mit der Saengerin Violeta Duarte und der Band Kaiamb Trio Jazz aus Toulouse ueberregional bekannt. Sein Musikunterricht ist bei Kindern und Erwachsenen beliebt. Und das Konzept der Ferme musicale ist einmalig. „Es gibt zwei weitere musikalische Bauernhoefe in Frankreich“, sagt Vincent. „Aber jeder ist anders.“ In Grenoble werden z.B. essbare Tiere und essbares Spielzeug fuer Kinder angeboten und in Caen, in der Normandie, gibt es eine Art Musikinstrumente-Museum mit essbaren Musikinstrumenten.
Lokalkolorit und Philosophie fuer besondere Weine
Kreativitaet und authentisches Leben entdeckt man auch im benachbarten Departement Herault. Jeden Mittwoch kann man auf dem Markt von Clermont l´Herault die Menschen beobachten und sich mit saisonalen und biologischen Qualitaetsprodukten eindecken: Kraeutern aus der Garrigue, Ziegenkaese, Pilze, Fleisch vom Aubrac-Rind etc. Und in dem Weinkeller „Au fil du vin“ findet man dazu das passende Getraenk.
Oberhalb von Clermont L´Herault in dem mittelalterlichen Dorf Lacoste am Jakobsweg nach Santiago de Compostela liegt das Weingut Germaine-Lacoste. Der Winzer Albrecht E. von Braun ist adeliger Herkunft und kultiviert hier mit seiner franzoesischen Frau Chantal auf sieben Hektar vulkanischer Erde Weine. Nach 23 Jahren in Frankreich praegt ein starker franzoesischer Akzent sein Bayerisch. Ein Leben in Deutschland kann er sich nicht mehr vorstellen. Winzer ist er erst seit sieben Jahren, aber dafuer betreibt er den Weinanbau wie eine Lebensphilosophie. Sie drueckt sich im Namen eines Weins wie „Les Copains d´Abord“ aus, zu Deutsch „die Freunde zuerst“. Von Braun widmete ihn den Freunden, die ihm bei der Ernte dieses Weins halfen und – Ehrensache – die ersten Flaschen (Jahrgang 2005, 15 €) geschenkt bekamen.
Wer Wein als Religion begreift, dabei aber nicht gerade an das Languedoc denkt, kann sich auf der Domaine de la Jasse in Combaillaux, 15 km von Montpellier, bekehren lassen. Bruno Le Breton und Michel Danten managen diesen Besitz eines Hollaenders. Der Clou: Man probiert ihre Cabernet Sauvignons und Merlots in einer ehemaligen Kirche, wo auch die Faesser lagern. Das Weingut befindet sich auf dem Gelaende eines frueheren Umerziehungsheims fuer straffaellige Jugendliche, zu dem das Gotteshaus gehoerte. Die Kirchenfenster gestaltete ein Glaskuenstler aus Montpellier nach den Wuenschen des Winzers.
Neuer Elan fuer das traditionelle Familiengeschaeft
Doch nicht alle lokalen Erzeuger sind Zuwanderer. Der Schaefer Michel Carrie aus Saint-Martin-de-Londres trat in die FuSSstapfen seines Vaters. Er kuemmert sich um rund 140 Ziegen der vom Aussterben bedrohten regionalen Art Chevres de Roves. Seine Tiere mit den schwungvollen Hoernern sind schlank und gesund, ihr Fell glaenzt. Sie werden von Hand gemolken. Das ergibt jeden Tag einen Liter pro Ziege und zwei Kaese pro Liter. Eben genug fuer eine Produktion in kleinem, feinen MaSSstab. Die Kaese trocknet, wendet und salzt die Ehefrau zu Hause. An der Tuer verkauft werden z.B. Brousse (Frischkaese), Tomme (so heiSSt die kleine runde Form) und der seit Jahrhunderten im Languedoc beliebte Pelardon (heute mit AOC). Schon ab 1,50 €.
Ihre Familientradition fuehren auch die Brueder Pierre und Roch Vialla auf der Domaine de l´Oulivie am Rand der Gemeinde Combailloux fort. Sie besitzen mit 17 ha den groeSSten Olivenhain des Languedocs. Zur Domaine gehoeren zudem zwei Laeden und eine der 18 OElmuehlen des Languedoc. Sie zuechten die lokaltypischen Olivensorten Lucques, Pigale, Picholine und Violette de Montpellier. Innovativ zeigt sich insbesondere ihre Palette an Endprodukten: stilvoll verpackte Tapenaden, hochwertige OEle zum Kochen sowie fuer die Schoenheit und das Wohlbefinden sowie SueSSigkeiten auf Olivenbasis.
Lokale Produkte wie Oliven-Soda oder Eis aus schwarzen Oliven, Brotaufstriche und Ziegenkaese kann man in vielen Chambre d´Hotes, Gites und kleinen Restaurants des Languedoc probieren. Zum Beispiel im „Table du Grand Chemin“ am Rand des zauberhaft verschlafenen Saint-Jean de Bueges. Die Kueche organisieren zwei junge Landwirte. Auf den Tisch kommen ihre eigenen saisonalen Produkte und die ihrer Nachbarn. Einer der beiden, Laurent Senet, kuemmert sich gemeinsam mit seinem Vater um rund 330 Kuehe, Stiere und Kaelber der Rasse Aubrac. Tja, Liebe geht nun mal durch den Magen. Die Metzgerei liegt wenige hundert Meter vom Restaurant des Sohns entfernt …
Petra Sparrer
Praktische Reiseinfos:
pyreneesorientalestourisme.com
sunfrance.com
Adressen:
Ursula und Vincent Choblet, Palau-de-Vidre,
fermemusicale.com
Domaine Lacoste-Germaine
Chantal und Albrecht E. von Braun
Rue St Jacques, Tel. 0033/467962370
SARL La Jasse, 34980 Combaillaux
Tel. 0033/467670404
Fax 467679220.
Michel Carrie
34380 Saint-Martin-de-Londres
Tel. 0033/467550541
UEbernachtung:
Mas de Coulet
Route de Montpellier
34190 Brissac
Tel. 04/67837243
Fax : 0618478001
masdecoulet.com