2Raumwohnung „Lasso“ ( Album )


15 Jul 2009 [14:24h]     Bookmark and Share


2Raumwohnung „Lasso“ ( Album )

2Raumwohnung „Lasso“ ( Album )



Artist: 2raumwohnung
Titel: „Lasso“
VÖ: 31.07.2009
Katalog-Nr.: 50999 966003 2 0
Format: CD-Album, CD-Album+Bonus-CD (Ltd. Edition), Digital-Album, Doppel-Vinyl, Amazon Box (Ltd. Edition CD + Doppel-Vinyl)
Label: it-sounds
Vertrieb: EMI
Website: www.2raumwohnung.de

Was meinen die mit „Lasso“? Die Western-Fangschlaufe? Das Loslassen? Oder eine Hommage an Orlando di Lasso, den Popstar der Hochrenaissance? Falsch oder richtig? Ist nicht wichtig. 2raumwohnung haben die Entspanntheit wirklich weiser Menschen und die Nonchalance, welche Kindlichkeit in Style verwandelt. Ihre Musik hat sehr viel damit zu tun, dass sie sich verändern und dabei selbst treu bleiben. So haben sie mit „Lasso“ ganz unaufgeregt ein aufregendes Independent-Album geschaffen. Eine kleine Naturgewalt im Großstadtdschungel.

Der Sound ist noch urbaner geworden, mit viel Trommel-Voodoo, opaken Riffs und Ausflügen in den Space-Rock. „70er Jahre futuristisch“, schlägt Tommi Eckart als Einordnung vor. Warum die 70er? „„Das waren für uns die ersten Erfahrungen mit Musik. Eine unheimlich faszinierende Zeit, musikalisch sehr frei und wild.“ That Old Devil Called Music hat seitdem zwei neue Anbeter. Irgendwann sind Inga Humpe und Tommi Eckart der Musik restlos verfallen. Freizeit und Arbeit gehen zwangsläufig ineinander über, wenn man immer von ihr umgeben ist. Selbst in der Stille ist es der Gedanke an die Musik. Für Musikjunkies ist Musik das große Ja zur Welt. Sie hängen an der Nadel des Plattenspielers oder schürfen wie Grubenarbeiter in Tonnen von Schutt, um eine winzige schimmernde Unze zu Tage zu bringen. Einen Akkord, der die Wirklichkeit segnet.

Wer in Lasso nach einem roten Faden sucht, wird wohl eher eine Essenz finden, eine uralte kindliche Wildheit. Das Staunen über die Farben des Lebens. Die Rhythmusgitarre, die sich durch alles zieht. Weit entfernt vom Ringen um schmetternden Pop oder coole Tristesse, glänzen die Lieder durch perfektes Timing und unwiderstehliche Melodien. Gleichzeitig sind sie manchmal ein bisschen irre. „Man muss ja ehrlich bleiben.“, kommentiert Inga Humpe, die übrigens nie besser gesungen hat als auf diesem Album. Ihre Stimme ist reich, klar und voller Sommer.

Ein Stück wie „Mosaik“ könnte von keiner anderen Formation stammen: Es „singt sich ganz wie von allein“ mit trügerischer Lässigkeit, viel Groove, hübschen Sounds und Da-da-da. Dabei stellt der Text ganz ungeniert komplizierte philosophische Fragen. Diese  leicht irritierende Kombination zieht uns in einen typischen 2raumwohnung-Sog, in dem wir dankbar die Authentizität dieser Musik anerkennen. „Wir sind eigentlich nur die Ausführenden, die auf Empfang gehen. Wenn man sich darauf einlässt, diese Kanäle wahrzunehmen, entsteht die Musik ganz von selbst, hat ein eigenes Universum. Sie nimmt keine Rücksicht auf unsere Pläne.“

Très francais, à la Nouvelle Vague und überaus raffiniert präsentiert sich „Was ist das?“, ein Stück, mit viel Strömung, eleganten Tiefen und Untiefen. Die Gesangsstimme ist lyrisch und erschöpft. „Das passte zu dem Lied“, erklärt Humpe. „Wir haben lange rumprobiert. Perfekt gesungen hatte es weniger Kraft.“ In der zum Verneigen schönen Ballade „Wenn du bei mir liegst“ grüßt ein alter Meister. Der Song schien zunächst unsingbar und hat Inga Humpe schlaflose Nächte gekostet. Beim Besuch des Leonard Cohen Konzerts in Berlin kam die Inspiration. „Ich habe das ganze Stück nochmal auseinandergenommen und gesanglich komplett neu erfunden. Erst nach dem Erleben von Cohen konnte ich das singen.“

Ganz anders und auf seine Weise eine Provokation: „Angel of Germany“. Das Portrait einer Sängerin, die es nach Amerika verschlagen hat. In irgendeinem Kaff im Mittelwesten arbeitet sie als Stripperin und erzählt durchaus desinteressierten Gästen davon, dass sie der  „Angel of Germany“ sei. 2raumwohnung streifen hier die Musikrichtung der Volksmusik und es ist ihr großes Verdienst, dass sie sich nicht darüber erheben, sondern ironiefrei erzählen, liebevoll und gerade dadurch sehr modern. So viel Milde lässt nicht jeder Song walten. Schwingt in “Body is Boss” ein  ironisches Lächeln mit? Ist das die neue Hymne für Fitnesscenter, Nacktbadezonen, Cabriorückbänke und Schaumparties? Oder das Portrait eines Menschen, der sich und seine Körperwelt sehr, sehr ernst nimmt? Hedonismus kann ein verdammt harter Job sein. 2Raumwohnung verwandeln dieses Gefühl in Herzpochen, Up-Tempo, Discofest, Überbelichtung; und in eine gleißende Schraube durch den Dancefloor mitten ins Herz. Der Himmel auf Erden für Musikjunkies.

Ein weiterer neuer Akzent, der uns auffällt, ist eine Düsternis, welche nichts Modisches hat, sondern zum letzten großen Witz einlädt – zum Tanz um brennende Ölfässer. „Der letzte Abend auf der Welt“ feiert einen Abschied mit Pauken und Trompeten, feiert Erwachsene und Kinder, alle sind draußen in den Straßenschluchten, johlen und machen Feuer. Dieses Stück ist so ruckelig, polternd und mitreißend, wie man 2raumwohnung tatsächlich noch nie gehört hat. Herrlich offene Gitarren schaffen Freiräume, „da vorne kommt ein Sturm“, und schon sind wir in einem Rausch den wir am nächsten Morgen nicht bereuen. „Rette mich später“, ist ein Stück, das alle Vernunft der Welt auf den Teppich bringt. Und dieser Teppich fliegt

„Ich will überall rein“ brüllt ein Stück, dessen punkige Freiheit glücklich macht. Eine kleine Naturgewalt. Tolle Wechselspiele von Stimme und Instrumenten, Stille und Stein, Drehen und Durchdrehen. Man kann das Chaos nicht vermeiden. Ständiges Taumeln ist Alltag. Dauernd werden die Werte debattiert, das nimmt überhaupt kein Ende. Nützt gar nichts, sich einen neuen Hut als Neo-Bürger aufzusetzen. Und bei Liebe muss man vorsichtig sein, denn das Wort haben die Agenturen übernommen. Wo ist der Boden, wohin geht’s, bitte nicht nach unten, ständig sind wir ängstlich. Jetzt, wo der Pop schon lange tot ist, kann man die Ohren wieder langsam aufmachen und an das Wünschen glauben: „Wir werden sehen, wir werden sehen“. Unbeugsame, selbstbewusste Berliner Moderne.

Inga Humpe und Tommi Eckart, haben ‚Lasso‘ mit ihrem eigenen Label ‚It Sounds‘ produziert: „Unser einziges Kriterium, war, dass wir etwas spüren.“ Diese für sich selbst beschworene Wahrhaftigkeit erstreckt sich auch auf die Covergestaltung oder die Konzerte von 2raumwohnung. So werden wir Zeuge von etwas sehr Intimem. „Ich fühle mich wie ein Reptil, das die Sonne des Albums auf der Schlangenhaut spürt“, so Inga Humpe über die Zeit zwischen Fertigstellung und Veröffentlichung. Aber das ist vielleicht das Besondere an den beiden. Sie tragen keine fremden Federn. Sie meinen alles ernst, was sie sagen, auch wenn es unernst klingt und sie zeigen das, was die wenigsten zeigen wollen: sich selbst.

Mai 2009

Tracklisting:
01. Der Letzte Abend Auf Der Welt
02. Überall Rein
03. Und Ich Dreh
04. Wir Werden Sehen
05. Body Is Boss
06. Was Ist Das
07. Rette Mich Später
08. Lasso
09. Alles Aus
10. Vielleicht Im Nächsten Leben
11. Mosaik
12. Wenn Du Bei Mir Liegst
13. Angel Of Germany

Lasso-Steckbrief
Stil:
70er Jahre-futuristisch
Sound: Trommel-Voodoo. Großstadtdschungel-Groove.
Farben: Erdverbunden, grün, beige, rot, hell- und dunkelbunt
Eigenschaften: Ur-wild, sanft (und bisschen irre – man muss ja ehrlich bleiben!)
Schmeckt nach: Heidelbeer-Snare und Pfifferling-Strings
Kurzbeschreibung: Eine kleine Naturgewalt.
Wirkung: Psychedelisch. Bringt Herzen und Systeme zum Schmelzen.
Paten: ABBA, Air, Adriano Celentano, Donna Summer, Leonard Cohen, Maurice Ravel, Rolling Stones, Sidney Youngblood, International Pony, David Byrne, Sandie Shaw, Charlotte Gainsbourgh, Phoenix, Emilia Torrini, Pet Shop Boys, Depeche Mode, DJ Hell, Boozoo Bajou, Miss Kittin and the Hacker, Madelene Peyroux, Peaches
Technische Besonderheiten: Ein Mikrofon aus dem Schwarzwald
Zitat: „Frei, das Lasso und den Galopp, den Schmerz und das Glück, frei!“
(aus einem Gedicht von Gabriela Mistral)

2Raumwohnung Tour 2009
Support: Nobelpenner

26.09.09 Köln – E-Werk
27.09.09 CH-Zürich – Maag Event Hall
28.09.09 München – Tonhalle
01.10.09 Frankfurt – Cocoon
02.10.09 Hamburg – Grosse Freiheit
03.10.09 Dresden – Schlachthof
04.10.09 Berlin – Admiralspalast

Quelle Fotos: Anca Munteau Rimnic

 

 







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