Nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe und der noch immer akuten Atomkraft-Gefahr verzeichnete Japan verständlicherweise einen sehr massiven Besucherrückgang, doch so ganz allmählich reduziert sich das Ausmaß. Zumindest sagen das die Japan-Werber.
Frankfurt – Gab es im April noch ein Minus von knapp 68 Prozent bei den Einreisen aus Deutschland, so verringerte sich der Rückgang im Juli auf die Hälfte, das heißt 34 Prozent weniger Ankünfte als im Rekordjahr 2010 (6.500 gegenüber 9.844). Diese Zahl reflektiert auch den allgemeinen Trend: bis 30. Juni 2011 wurden insgesamt 32,6 Prozent weniger Besucher registriert als im Vorjahr (2.833.100 im Vergleich zu 4.203.419). Doch was mehr als Schall und Rauch können statistische Angaben einer Nation wirklich sein, die nach wie vor ein offenes Nuklearstrahlenproblem hat und sich nicht um alle ihre strahlenbelasteten Bürger kümmert. Dennoch muss nicht nur das Leben der Menschen in der geschädigten Region weitergehen, auch touristisch bietet das Land attraktive Ziele an, die nicht unter den katastrophalen Folgen der unfähigen Politik leiden.
Nachdem der Touristiker Thomas Köhler seinen Job bei einem Schweizer Spezialreiseveranstalter an den Nagel gehängt hat, marschiert er seit 01. August an der japanischen Westküste entlang. Die circa 2.500 Kilometer lange Strecke von Kap Soya, dem nördlichsten Punkt Japans auf der Insel Hokkaido bis Kap Sata, dem südlichsten Punkt der Insel Kyushu, will er bis Ende des Jahres bewältigen. Thomas Köhler, dessen „Wanderplan“ bereits im April dieses Jahres feststand, hatte sich zwischenzeitlich auch als freiwilliger Helfer an den Aufräumarbeiten im Tsunami-Gebiet engagiert. Der Japanliebhaber, der seinen langen Weg in einem täglich aktualisierten Blog dokumentiert, möchte den Menschen in unseren Breiten zeigen, dass man Japan problemlos bereisen kann und dieses Land weitaus mehr zu bieten hat als nur Tokyo, Kyoto, Sushi oder Geishas. Es ist schon sehr beeindruckend zu erfahren, wie gastfreundlich und hilfsbereit er von den Einheimischen empfangen und unterstützt wird.
Zu Gast bei japanischen Familien
Es gibt keine bessere Möglichkeit, Land und Leute kennen zu lernen, als sich für ein paar Tage oder auch für einen längeren Aufenthalt bei einer japanischen Familie einzuquartieren oder zumindest Einheimischen einen Tagesbesuch abzustatten. Der Anbieter „Homestay in Japan“ hat seit seiner Gründung im Jahr 2009 ein Netz von fast 1.400 Familien in ganz Japan aufgebaut. Das Angebot konzentriert sich zwar auf die Metropolen Tokyo und Osaka, aber es gibt auch Gastfamilien auf Hokkaido und in Okinawa. Die Zielgruppe umfasst Studenten, die Japanisch lernen und mehrere Wochen bleiben möchten ebenso wie Rucksack- bzw. Individualreisende, die für ein paar Nächte eine günstige Unterkunft suchen oder auch nur mal einen Tag gemeinsam mit Einheimischen verbringen möchten. Bei „Home Stay“ kann man zwischen Übernachtung mit Frühstück oder Unterkunft inklusive zweier Mahlzeiten wählen – das Programm „Home Visit“ beinhaltet dagegen die Getränke und Speisen während des Tagesaufenthalts. Die meisten Gastfamilien sind international erfahren, also entweder haben sie selbst im Ausland gelebt oder auf sonstige Weise Erfahrungen mit Nicht-Japanern gesammelt.
Japan mit neuem UNESCO-Welterbe
Seit Juni dieses Jahres gehören zwei weitere schützenswerte Gebiete in Japan zum UNESCO-Welterbe: das eine ist die historische Tempelregion von Hiraizumi aus dem 11. und 12. Jahrhundert mit einem noch früheren Buddha-Tempel aus dem Jahr 850 n.Chr., der durch eine Halle aus purem Gold beeindruckt. Obwohl dieses Tempelkomplex nicht weit von der vom Tsunami heimgesuchten Region liegt, wurden an den Gebäuden keine Schädigungen registriert. Das andere sind die Ogasawara-Inseln, die nun als Weltnaturerbe gelten. Der über 1.000 Kilometer südlich von Tokyo gelegene Archipel besteht aus etwa 30 subtropischen Inseln vulkanischen Ursprungs, die niemals mit dem Festland verbunden waren. Geboren aus Feuer und Lava haben sie den Beinamen „Galapagos Asiens“ bekommen, denn vergleichbar mit den weltbekannten Inseln in Südamerika gibt es auch hier über 100 seltene, rein endemische Pflanzen und 14 Tierarten, zu denen zum Beispiel der Ogasawara-Honigfresser gehört. Wer die circa 25-stündige Fahrt mit der Fähre von Tokyo auf sich nimmt, dem stehen erstklassige Naturerlebnisse bevor wie Wal- und Delfinbeobachtungen, Tauchen, Schnorcheln, Kayaking, Vogelbeobachtung und Wandern. Auf den Inseln gibt es keinen Flughafen.
Foto: Emil Montenegro